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Kämpfen und nicht kämpfen mit dem Krebs – Als ich dem Tod in die Eier trat [Rezension]

Kämpfen und nicht kämpfen mit dem Krebs – Als ich dem Tod in die Eier trat [Rezension]

Alexander Greiner ist kerngesund. Glaubt er. Bis ihn aus heiterem Himmel die Diagnose Hodenkrebs erwischt. Von diesem Moment an ist nichts mehr wie es war. Doch Greiner geht die Krankheit an, wie er alles angeht: systematisch, zupackend, Sterben ist keine Option. Nach der Operation schaltet er keinen Gang herunter, plant seine Selbstständigkeit, treibt exzessiv Sport. Bis sich Schmerzen einstellen – und es zwei Jahre nach der Erstdiagnose heißt: Tumor im rechten Oberarmknochen.

Ihm ist klar, dass er nicht mehr so weitermachen kann, wie bisher. Mit entwaffnender Ehrlichkeit beschreibt Alexander Greiner, was es heißt, eine lebensbedrohliche Krankheit anzunehmen und sich komplett neu auszurichten. Er berichtet, wie unterschiedlich Familie und Freunde reagieren;er klopft sein Leben auf Leerstellen ab und probiert alles aus, was im Verdacht steht, ihm zu helfen – sei es Energetik, Meditation oder TCM. Greiner nimmt die Leser mit auf die Odyssee durch Krankenhäuser und schildert die emotionale Achterbahn zwischen Hoffen, Warten und Gewissheit, ohne jemals den Optimismus zu verlieren. 

Die ersten drei Dinge, die ich nach dem Lesen getan habe:

  1. Traditionelle Chinesische Medizin recherchiert
  2. Versucht, nachzuvollziehen, wie oft ich mich an eine bestimmte Kindheitserinnerung zurückerinnert habe, und festgestellt, dass es verdammt wenige Male waren
  3. Meditiert

Mein Eindruck zu „Als ich dem Tod in die Eier trat“:

Der Titel ist bewusst provokant. „Als ich dem Tod in die Eier trat“ pflanzt Bilder eines kickboxenden Autors in die Köpfe der Lesenden. Er drückt Stärke und Witz aus, aber auch Aggression. Mit letzterem scheint der Autor allerdings seine Probleme mit zu haben. 

Stärken des Buchs:

Beeindruckend ist direkt zu Beginn die absolute Ehrlichkeit. Bevor der Hodenkrebs des Autors entdeckt wird, hat er richtig dicke Eier und das lässt ihn richtig gut fühlen. Nach der Operation hat er aber nur noch ein Ei und das findet er im ersten Augenblick unmännlich. Diese Sichtweise kann ich mir selbst als Frau gut vorstellen und direkt kann ich mich mit dem Autor identifizieren. Denn fühle ich mich nicht extrem weiblich durch meine extra-großen Brüste seit der Schwangerschaft? Die Milchproduktion ist zum Glück kein Krebs, deswegen darf ich meinen sexy Höhenflug noch etwas genießen. Alexander Greiner nicht, sein Krebs kommt zurück. Mit der Metastase in der Schulter kommt die wahre Auseinandersetzung mit der Krankheit. Und er taucht tiefer in die Welt ein, wie wahrscheinlich kaum ein zweiter Erkrankter zuvor.

Denn er ist wissbegierig. Wissen heißt Kontrolle, was Sicherheit bedeutet. Wenn es so etwas überhaupt gibt. Er holt sich nicht nur eine Zweitmeinung, sondern auch eine dritte und vierte und fünfte. Er spricht mit Alternativmedizinern und Freunden, mit zig Onkologen, mit Beratern und Experten. Während ich mich zur Vorbereitung auf die Chemo wohl nur den Kopf rasieren würde, geht er darüber hinaus und macht sich selbst zum Krebsexperten. Damit ist das Buch eine gute Übersicht und vermittelt viel Wissen, ohne anzuöden. Niemals wird das Thema kompliziert, obwohl Krebs genau das ist.

Mehr als nur Krebs

Das Buch ist ein Krebsbuch, aber nicht nur. Es handelt auch davon, wie der Autor seinen im bis dahin unbekannten Vater in Kroatien ausfindig macht und trifft. Darüber hinaus will er sich in der Kaffee-Branche selbstständig machen, obwohl er schon zuvor viel Erfolg als Unternehmensberater hatte. An beides geht er ähnlich akribisch wie an den Krebs heran. Er recherchiert viel und spricht mit Menschen. Diese Themenvielfalt macht das Buch zu einem Feuerwerk an Lebensinhalt. Es enthält Perspektive und Freude, Warums und Deshalbs. Und trotz der drei Geschichten – Krebs, Beruf und Vatersuche – hält sich immer die Balance und nichts wirkt konstruiert.

Es gibt zig Anekdoten, die mir besonders im Kopf beblieben sind. Da ist etwa das belauschte Gespräch der 81-Jährigen, der es leid tut, so alt geworden zu sein. Da ist der weitere Krebspatient, der schnell wieder gesund werden will, damit er wieder arbeiten gehen kann. Da ist der Moment, in dem Greiner seine Wurzel und seine Flügel findet. Das Buch ist voller kleiner Weisheiten und daher ein wertvoller Begleiter, um das eigene Leben mal so richtig durchzurütteln. Obwohl das Buch nämlich immer wieder auf den Tod zu sprechen kommt, geht es eigentlich um das Leben.

Schwächen des Buchs:

Der Autor ist manchmal etwas verkopft. Was einerseits dazu führt, dass er so sauber alles in Erinnerung hat und nun so viel Wissen weitergeben kann, bedeutet auch, dass er sich einige Male in Zerreden verzettelt. So spricht er etwa seitenlang über Veränderungen, was ihm offensichtlich wichtig ist, wiederholt sich jedoch auch häufig. Eine Stelle sticht besonders heraus: Er fordert, dass der Krebs nicht mehr mit Kampf begegnet wäre, dieses Wort sei völlig falsch und man müsse eher Geduld beweisen und müsse ruhen. Dabei vergisst er, dass er nicht nur eine mentale Identität hat, sondern eben auch eine körperliche. Und sein Körper kämpft sehr wohl, nicht nur gegen den Krebs, sondern auch gegen die Chemo. Dazu kommt der Buchtitel „Als ich dem Tod in die Eier trat“, der ja sehr wohl ein kämpferisches Bild erschafft. Hier kommt mir der Gedankendank unausgereift vor.

Dieses Verkopfte führt zu einem kleinen Loch in der Mitte des Buches. Mich warf vor allem das Thema Ernährung raus. Zuerst war ich hooked, denn Essen interessiert mich immer. Während Greiner seine frühere Art zu Essen bis ins Kleinste beschreibt und seinen Weg zur Traditionellen Chinesischen Medizin ausführlich erläutert, lässt er seinen neuen Ernährungsplan komplett im Dunkeln, obwohl er laut ihm half. Vielleicht 50 Seiten später erfährt man schließlich wenigstens vom Frühstück und dass er auf Zucker verzichtet, aber da war ich schon zu lange gefrustet. Auch die drei Geschichten verzetteln sich hier etwas, die Absätze werden sehr kurz und alles flutscht nicht mehr gut. Sobald sich Greiner wieder den Erlebnissen widmet, fließt alles wieder und der verkopfte Mittelteil ist vorrüber.

Mein Fazit zu „Als ich dem Tod in die Eier trat“:

Das Buch ist nicht nur etwas für Krebspatienten oder Angehörige, es ist für jeden etwas, der interessante Lebensgeschichten und –ansichten mag. Ich habe das Buch vom Verlag zur Verfügung gestellt bekommen, doch hätte es auch so gelesen. Es gehört zu den Büchern, die mit mehr Inhalt und Weisheit überraschen, als man anfangs denkt. Ich werde einiges daraus mitnehmen und in meine zukünftigen Entscheidungen einfließen lassen.

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Als ich dem Tod in die Eier trat

Alexander Greiner

Sachbuch biografisch
Hardcover, 240 Seiten

erschienen bei Kremayr & Scheriau

21. August 2019

ISBN 978-3-218011884


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