Nature’s Own Youtuber – Unfollow

Nature’s Own Youtuber – Unfollow

Bis zum Anbeginn des Lebens reichen die Erinnerungen des Influencers Earthboi zurück, der aus der Wildnis heraus seine Videos und Botschaften teilt, um die Erde zu heilen und den Menschen wieder mit der Natur in Einklang zu bringen.

Die ersten drei Dinge, die ich nach dem Lesen getan habe:

  1. Essen geordert (großer Salat).
  2. Essen gegessen.
  3. Vorerst die Idee, eine Rezension zum Buch zu schreiben, verworfen.d

Mein Eindruck zu „Unfollow“:

Als ich „Unfollow“ von Lukas Jüliger ausgelesen hatte, wollte ich nicht darüber schreiben, weil ich nicht wusste wie und nicht wusste was. Einen Tag später sieht die Sache anders aus.

„Unfollow“ erkundet 2 Themengebiete offenkundig und ein weiteres versteckt. Es geht um den Klimawandel und den zerstörerischen Einfluss des Menschen auf die Natur auf der einen Seite und um die Influencer-Szene auf der anderen. Das dritte Themengebiet lasse ich weitestgehend außen vor, obwohl es sehr wichtig ist, weil ich den großen Twist gegen Ende des Buches sonst spoilern würde.

Stärken des Buchs:

Allen anderen Stärken voran steht wohl die Wichtigkeit des Themas Umweltschutz in „Unfollow“. Man kann sonst von der Graphic Novel halten, was man mag, aber dass auf den drohenden Kollaps der Ökosysteme durch die Hand des Menschen hingewiesen wird, gibt definitiv Pluspunkte. Dass der Umweltschutz ausgerechnet mit der scheinbar nicht dazu passenden Onlinewelt der Influencer kombiniert wird, ist interessant. Schließlich wird die Umwelt auch belastet durch die gesamte Kette der Ressourcengewinnung für Produkte, die für den Betrieb verschiedener Kanäle notwendig sind, deren Herstellungsowie und den Betrieb selbst. Es entstehen Bilder mit einer gewissen Poesie, wenn Earthboi im Wald Laptop, Smartphone, Kamera und Mikro aufbaut. Die Reichweite der Influencer ist es, die seinem Ziel dient. So kommen beide Bereiche zusammen. Als notwendiges Übel.

Mich interessiert es immer, wenn Autor*innen von den Standardwegen abweichen und seltenere Erzählweisen verwenden. Lukas Jüliger lässt eine Gruppe in der Wir-Perspektive erzählen, was Earthboi beinahe wie eine Messias-Figur erscheinen lässt. Dadurch fehlt es dem Protagonisten an der Deutungshoheit über seine eigene Geschichte und da es auch keine allwissende Erzählinstanz gibt, auch wenn die Wir-Erzählgruppe sich so gibt, kann man als Leser*in nicht darauf vertrauen, die Wahrheit zu erfahren. Das macht „Unfollow“ spannend auf einer tieferen Ebene. Liest man es so, dass die Geschichte möglicherweise doch nicht ablief, wie sie erzählt wird, entdeckt man Punkte, an denen andere Lesarten und Interpretationen ankern können. Man darf zweifeln und nachdenken. Das finde ich spannend. Schaut man tatsächlich auf eine messianische Erlöserfigur oder nur auf das fremdinterpretierte Leben eines engagierten jungen Mannes?

An dieser Stelle würde ich ein paar mehr Punkte anbringen, die mit dem vorherigen zutun haben und mit dem Plottwist am Ende von „Unfollow“. Es gibt inhaltlich und was die Erzählweise angeht weitere Stärken, aber darüber zu schreiben, würde einige Überraschungen ruinieren.

Schwächen des Buchs:

Dadurch, dass Lukas Jüliger in „Unfollow“ mehrere Interpretationsmöglichkeiten eingebaut hat, opfert er ein Stück weit eine klarere und vielleicht bessere Erzählweise. Damit meine ich, dass manche Passagen zu eilig und zu grob wirken, beinahe wie Plotentwürfe, aber noch nicht wie die fertige Geschichte. Das hat vermutlich damit zu tun, dass die Geschichte absichtlich in manchen Punkten vage sein soll. Dadurch kann die Wir-Erzählinstanz manche Dinge für das eigene Programm einnehmen, ohne die Hintergründe zu erklären. Es erlaubt auch Interpretationen. Aber bis man an den Punkt gekommen ist, dass man das alles hinterfragt und diese Techniken analysiert, liest es sich unbequem und undeutlich.

Ich bin kein Fan des Zeichenstils von „Unfollow“. Diese vermeintliche Schwäche ist also rein subjektiv. Es gibt einige schöne Kompositionen, aber insgesamt wirkt alles sehr sanft, zaghaft, irgendwie kindlich. Mich erinnert der Stil ein Stück weit an Mangas. Man könnte sagen, dass es zur Jugend der allermeisten Figuren passt und zur scheinbaren Naivität des Gedankens der Hauptfigur, die Welt retten zu können. Vielleicht ist die Zielgruppe des Buches erheblich jünger als ich. Dann könnte es passen. Mir persönlich sagt es nicht zu.

In „Unfollow“ fehlte mir die letzte Konsequenz, der letzte Kick, um die Story wirklich gut zu machen. Das Konzept ist klar und es erlaubt eigentlich mehr Heftigkeit in der Umsetzung, mehr Emotion oder einfach irgendetwas, das den Leser*innen eine seelische Ohrfeige verpasst, um sich wirklich von dieser Graphic Novel berührt zu fühlen und sie im Gedächtnis zu behalten. Trotz des Themas, des Twists und aller interessanten Voraussetzungen fehlt es mir an der richtigen Umsetzung. Es hätte für meinen Geschmack weniger seicht geraten sollen.

Mein Fazit zu „Unfollow“:

„Unfollow“ ist ein cooles Buch, um es in der Schule (8. Klasse?) zu besprechen, und behandelt ein wichtiges Thema, aber man hätte erheblich mehr daraus machen können.

Du willst mehr von Matthias lesen? Hier gelangst du zu seinen Rezensionen.



Unfollow

Lukas Jüliger

Graphic Novel
Softcover, 168 Seiten

erschienen bei Reprodukt

04. Juni 2020

ISBN 978-3-956402173

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