Auf eigene Verantwortung – Von der Liebe und anderen Dämonen

Auf eigene Verantwortung – Von der Liebe und anderen Dämonen

In einer Welt voll Aberglauben, Gottlosigkeit und religiösem Fanatismus wird die zwölfjährige Sierva María von einem tollwütigen Hund gebissen. Sie erkrankt nicht, doch ihr Vater, der im Angesicht ihres mögliches Todes plötzlich überfürsorgliche Liebe empfindet, wird überredet, sie in ein Kloster zu bringen, um sie den Heilkünsten der Nonnen zu überlassen. Das Mädchen, das zwischen Sklaven aufgewachsen ist, gebärdet sich wild und es entsteht das Gerücht, sie sei vom Teufel besessen. Um diesen auszutreiben, schickt der Bischof Pater Cayetano Delaura, der sich in das Kind verliebt und stattdessen eine Liebesbeziehung zu ihr beginnt.

Die ersten drei Dinge, die ich nach dem Lesen getan habe:

  1. Mich gefragt, was ich zum Teufel ich da gerade gelesen habe
  2. Mich gewundert, warum ich das Buch überhaupt gelesen habe
  3. Und mich gefragt, ob ich dieses Buch nocheinmal lesen würde, mit dem Wissen, das ich jetzt habe

Mein Eindruck zu Von der Liebe und anderen Dämonen:

Gemischte Gefühle hinterlässt die Lektüre von „Von der Liebe und anderen Dämonen*. Einerseits die wunderschöne Sprache des Autors, andererseits die sonderbare Thematik, die Widerlichkeiten, die so grotesk in den Vordergrund gerückt werden. Und die Frage, ob ich ein Buch mit einer solchen Liebesgeschichte überhaupt mögen darf.  Wie eine Ausstellung, deren Bilder zwar schön sind, aber irgendwie auch ekelerregend und eine Thematik haben, die einen dezent verstört zurück lassen – „Immer diese schrägen Künstler halt“. Oder so.

Stärken des Buchs:

Fangen wir bei der Sprache an. Gabriel García Márquez lässt mit seiner klugen, poetischen Sprache Bilder lebendig werden. Er entwirft Gerüche, malt zärtlich und intensiv die Farben der Karibik, verzaubert uns mit Sinneseindrücken die schön sind und ekelhaft zugleich. Ob Blütenduft oder Ekremente, ob die schillernden Farben des Meeres oder einer fortschreitenden Krankheit: er beschreibt einfach alles.

Vor allem Körperlichkeit wird in allen (übelkeitserregenden) Details gemalt: man wird fast erschlagen von den Ausdünstungen und blind von der Optik der kranken, sterbenden, widerlichen Menschen, deren Körper in allen Farben leuchten und sterbend dahinsiechen. Auf den Leser nimmt „Von der Liebe und anderen Dämonen“ keine Rücksicht. Ebenso wenig auf die Charaktere: Stärken, aber auch offene und geheime Schwächen der Charaktere werden vom Erzähler schonungslos in den Vordergrund gerückt. Das allgemeine schriftstellerische Gebot, Widerlichkeiten zu verheimlichen wird gebrochen, hier wird der Ekel ausgeweidet und aufgespannt wie in einem Museum. „Sieh her“, scheint Márquez zu sagen und drückt einem das Gesicht direkt hinein. „Das bist auch du.“

Von der Liebe und anderen Dämonen, Foto: M. D. Grand
Von der Liebe und anderen Dämonen, Foto: M. D. Grand

Schwächen des Buchs:

Für alle, die nicht diesen leichten Nervenkitzel verspüren, wenn Autoren einen mit ihrer viel zu direkten Widerlichkeit treffen, kann man das natürlich auch als Schwäche gelten lassen – das muss jeder selbst wissen. Für mich ist die Schwäche dieses Buches klar in der Handlung und den Charakteren verursacht. Die Charaktere bleiben für mich sehr gestaltlos und machen eher den Eindruck von Sinnbildern, die gewisse Aspekte menschlicher Denkmuster transportieren.

Sie werden in die Handlung geworfen, übernehmen keine Verantwortung für ihre Taten und sind geprägt von einer völligen Passivität und Schicksalsergebenheit, die logisch nicht mehr nachvollziehbar ist. Die Thematik ist ein einziges Tabu, sowohl aus religiöser Sicht, aber auch aus Sicht der Pädophilie, bleibt aber vom Autor völlig ungewertet. Man weiß nicht ganz, was er einem mitteilen will, worauf der Fokus liegt, was die Message ist. Und am Ende bleibt nur noch eine Frage übrig: Was zum Teufel habe ich da gerade gelesen?!

Mein Fazit zu von der Liebe und anderen Dämonen:

Ich tue mir schwer, „Von der Liebe und anderen Dämonen* zu bewerten. Eine Sternebewertung ist natürlich immer irgendwie Geschmackssache. Aber in diesem Fall fällt es umso schwerer, zwischen subjektiver Ablehnung und objektiv hervorragender Autorenarbeit zu unterscheiden und bewertungstechnisch zu einem Mittelwert zu gelangen. Mir persönlich hat die Thematik überhaupt nicht zugesagt. Auch wenn ich die allgemeine Begeisterung und das „ich hätte beinahe weinen müssen, so schön war diese Liebesgeschichte“ durchaus auch nachvollziehen kann. Demensprechend entscheide ich mich sehr subjektiv für eine schlechtere Wertung, auch wenn ich es keinem Leser abraten würde. Dieses Buch müsst ihr einfach auf eigene Verantwortung genießen!

Du willst mehr Rezensionen lesen? Hier findest du alle Rezensionen von M. D. Grand!



Von der Liebe und anderen Dämonen

Gabriel García Márquez

Klassiker Drama
Softcover, 208 Seiten

erschienen bei S. Fischer

01. Februar 2004

ISBN
978-3-596162529

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4 Replies to “Auf eigene Verantwortung – Von der Liebe und anderen Dämonen”

  1. Hallo,

    oha, das ist aber eine Mischung – Lolita mit Teufelsaustreibung?

    Ich muss gestehen, ich bin da gnadenlos und vielleicht engstirnig: für mich ist so etwas keine Liebesgeschichte, unter keinen Umständen, ’schön‘ oder nicht, sondern die Geschichte eines Kindesmissbrauchs…

    LG,
    Mikka

    1. Hi Mikka!
      Ja, es war sehr schwer, finde ich, dieses Buch nicht einfach wegzulegen. Weil Klassiker der Weltliteratur hin oder her, aber das Thema ist sehr sensibel und erinnert, wie du sagst, sehr an Lolita mit Teufelsaustreibung. Ich würde es nicht nochmal lesen mit dem Wissen, das ich jetzt habe! 🙂

      Liebe Grüße
      Marlen

  2. Die Logik fehlt in diesem Buch,
    Die Personen verhalten sich unlogisch und passiv.
    Natürlich kann der Autor dennoch sehr gut schreiben.

  3. Die Handlung ist in sich unlogisch. Die Personen verhalten sich passiv.
    Keiner versucht seinem Unglück zu entgehen. Dennoch ein guter Schrifsteller

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