Durchmischte Gefühle – Von Gleich zu Gleich
Amy lebt mit ihrer Tochter auf dem Campingplatz. Als die Vergangenheit sie einzuholen droht, ergreift sie von einem Tag auf den anderen die Flucht. Es hat etwas mit Ash zu tun, ihrer ehemaligen Freundin Ash, die sie seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Und mit ihrem alten Leben, um das zu vergessen sie sogar das Lesen verlernt hat…
Die ersten drei Dinge, die ich nach dem Lesen getan habe:
- Noch einmal zurückgeblättert.
- Mir ein heißes Bad eingelassen.
- Über das Buch nachgedacht.
Mein Eindruck zu „Von Gleich zu Gleich“:
Über diesen Roman von Ali Smith zu sprechen fällt mir schwer. Einerseits, weil er mir nicht so gut gefallen hat, wie ich es mir von einem Roman dieser Autorin erwartet hätte, andererseits, weil er so zwiespältig aufgebaut ist. Die ganze Handlung lässt einen rätselnd zurück, die Charaktere werfen mehr Fragen auf, als sie beantworten und die erste Hälfte war – ehrlich gesagt – eher enttäuschend. Hätte ich die zweite nicht gelesen, wäre diese Rezension bei weitem nicht so gut ausgefallen wie jetzt. Aber erst einmal langsam und von hinten nach vorn.
Stärken des Buchs:
Die zweite Hälfte des Buches war genau so, wie ich mir eine Ali Smith erwartet hätte: Poetisch, philosophisch, dezent verwirrend und so komplex gebaut, dass man am Ende des Lesens erst einmal zurückblättern muss, damit man gewisse Dinge nachlesen kann. Verstanden habe ich die Geschichte dann trotz zurückblättern trotzdem nicht ganz – so viele Fragen bleiben offen, so viele Theorien schwirren in meinem Kopf! Aber genau das ist ja eine von Ali Smiths Qualitäten: dass man am Ende nicht sagen kann „Fein, hab ich ein Buch gelesen“, sondern noch tagelang darüber nachdenkt, was jetzt „wirklich passiert“ ist und ob man nicht doch was falsch verstanden hat. Von dem her: Ein voller Erfolg!
Schwächen des Buchs:
Die erste Hälfte hingegen war, gelinde gesagt, langweilig. Sucht man eine Erklärung dafür, würde ich sagen, die Schwäche war bedingt durch den Charakter der Amy, die sich um Einfachheit der Sprache bemüht und versucht, möglichst kein Genie erkennen zu lassen. Genau das macht den Anfang aber auch unerträglich zu lesen. Er ist fad, zieht sich und es wollte bei mir weder rechte Spannung aufkommen, noch wollte ich erfahren, worum es überhaupt geht. Amy war schräg und ein bisschen anstrengend, ihre Tochter dafür schlau und süß. Man erfährt kaum etwas Hilfreiches, das einem einen Eindruck über das Thema des Buches geben würde und so tappt man etwa 150 Seiten erstmal im unspektakulären Dunkeln, bevor die Story durch Ashes Part ab Seite 170 dann einen fulminanten Zeitsprung vollführt, eine neue Wendung bekommt und nochmal tatsächlich spannend wird.
Mein Fazit zu „Von Gleich zu Gleich“:
„Von Gleich zu Gleich“ bleibt mir daher sehr durchwachsen in Erinnerung. Muss man es gelesen haben? Naja. Geht so. Wahrscheinlich nicht. Gibt es bessere Bücher von Ali Smith? Auf jeden Fall (siehe die Rezensionen zu „Herbst“ oder noch besser „Es hätte mir genauso„, das meine Obsession mit der Anführungszeichen-verachtenden schottischen Autorin ja überhaupt erst ausgelöst hat).
Wird man es am Ende bereuen, das Buch gelesen zu haben? Nein. Alles in allem ist es ja doch wieder eine geniale Idee, nur eben anstrengend in der Hälfte der Umsetzung, was halt doch sehr, sehr viel ist. Hätte ich das Buch nicht zufällig mit auf Urlaub gehabt und wäre ich nicht im Flugzeug gezwungen gewesen, weiterzulesen, um nicht an Langeweile zu sterben, hätte ich es wahrscheinlich nie bis zum Ende geschafft. Insgesamt vergebe ich daher 2 Sterne für den Anfang und 4,5 für das Ende, wodurch sich ein Mittelwert ergibt, den wir aufgerundet glaube ich ohne schlechtes Gewissen mit 3,5 Sternen betiteln können. Naja, es kann eben nicht jeder Roman ein Highlight sein …
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Von Gleich zu Gleich
Ali Smith
Gegenwartsliteratur
erschienen bei btb
09. März 2020
Auch wenn sie besonders oft Fantasy liest, wird prinzipiell jedes Buch gelesen, das unvorsichtig genug war, ihr in die Hände zu gelangen. Nur vor Krimis und Thrillern wahrt Marlen respektvollen Sicherheitsabstand, der sich bei begründetem Spannungsverdacht allerdings sehr schnell verringern kann. Wenn sie nicht gerade liest, haut sie wahrscheinlich gerade eifrig in die Tasten um ihre Roman voranzutreiben und ihre Figuren leiden zu lassen.