Mitreißender Ausflug in den Berliner Underground – Asche ist furchtlos

Mitreißender Ausflug in den Berliner Underground – Asche ist furchtlos

Asche ist furchtlos: Never judge a book by its cover, oder an der scheinbaren Durchschnittlichkeit seines Autors. Wäre es nicht eine Rezensionsanfrage gewesen, ich hätte dieses Buch niemals gelesen, denn erstens sieht das Cover aus als hätte mein Fünfzehnjähriges Ich es mit Word-Art gestaltet, und zweitens habe ich im Moment eigentlich keine Lust, noch mehr von deutschen/weißen/hetero Männern zu lesen. Die verlieren sich für meinen Geschmack nämlich zu oft entweder in ihrer pseudo-deepen Nabelschau oder scheitern grandios am Versuch, feministische Figuren zu schreiben. Umso mehr freut es mich, wenn ich über Ausnahmen stolpere. Clint Lukas ist so eine Ausnahme.

Die ersten drei Dinge, die ich nach dem Lesen getan habe:

  1. Tee gemacht
  2. Den Autor angeschrieben, um ihn zum Ende zu befragen
  3. Tee getrunken

Mein Eindruck zu „Asche ist furchtlos“:

In „Asche ist furchtlos“ erzählt eine junge Frau, wie ihr Vater ihr von ihrer scheinbar verschollenen Mutter erzählt. Klingt verwirrend? Ist es anfangs auch. Bis man versteht: Es geht eigentlich gar nicht um die Tochter Ciri, sondern um die Liebesgeschichte ihrer Eltern: die Geschichte vom langweiligen Künstler Jonas und der verwegenen Drogendealerin Nora. Es geht um das Komplizierte an der Liebe, und vor allem um ein Berlin, das dich immer fest im Griff hat, egal woher du kommst und wie unschuldig du zu sein glaubst oder wie gut deine Absichten sind.

Bei „Asche ist furchtlos“ handelt es sich um einen dieser Romane, bei denen man sich fragt, wieso ihn nicht mehr Leute kennen. (Vermutlich liegt es am winzigen Verlag mit dem fraglichen Cover-Design.) Denn Clint Lukas schreibt rasant, selbstkritisch und mit einer stilistischen Präzision, weit entfernt von jeglicher Mittelmäßigkeit.

Asche ist furchtlos von Clint Lukas. Foto: S. M. Gruber

Stärken des Buchs:

Irgendwo zwischen Liebesgeschichte, Familiendrama und Krimi hält uns „Asche ist furchtlos“ im Bann. Von unvermeidbaren zu unvorhersehbaren Twists navigieren wir mal aus Jonas‘ Sicht, mal aus der seiner Tochter durch diesen Berliner Untergrund, bis wir am Ende atemlos zurückbleiben. Die längste Zeit glauben wir, dass wir den Überblick über diese Geschichte haben. Doch dann, am Ende, auf den allerletzten Seiten, da merken wir erst, dass wir selbst schon viel zu tief drinstecken, um noch unterscheiden zu können, wo die Erzählung aufgehört und die Wahnvorstellung angefangen hat – ein grandioser Kunstgriff, den ich euch nicht spoilern will.

Nora, Jonas und alle anderen, die uns in diesem Roman “Asche ist furchtlos” begegnen, sind plastische Figuren mit nachvollziehbaren Motiven. Egal ob fürsorglicher Drogendealer, unberechenbarer Liebhaber oder theatralische DJane, niemand ist hier nur gut oder nur böse, doch eines haben sie alle gemeinsam: die Suche nach Halt in diesem Berlin, das sich viel zu schnell zu drehen scheint.

Am meisten überzeugt hat mich jedoch die Art und Weise, wie unaufgeregt (unabsichtlich?) feministisch „Asche ist furchtlos“ ist. Nicht weil Jonas sich ohne Wenn und Aber um die kleine Tochter kümmert, während Nora … andere Dinge tut. Sondern weil Genderrollen weder totgeschwiegen noch bis ins kleine Detail seziert werden. Sie gehören einfach dazu.

Schwächen des Buchs:

Obwohl der Einstieg inhaltlich leichtfällt, holpert es zu Beginn bei den Perspektivenwechseln. Es dauert ein wenig, bis man zu unterscheiden weiß, wann die Tochter die Erzählung vollständig an den Vater abgibt und wann es bloß ein Dialog ist. Der teils willkürliche Wechsel zwischen Präteritum und Präsens macht es nicht besser. An zwei essenziellen Stellen passiert es außerdem, dass Jonas außerhalb seiner Charakterlogik handelt. Abgesehen davon ist das Lektorat aber größtenteils on point. Wirklich gestört hat mich „nur“ das misogyne, alltagsrassistische Machogehabe einiger Drogendealer, realistisch hin oder her.

Achso, und habe ich schon dieses hässliche Cover erwähnt?

Mein Fazit zu „Asche ist furchtlos“:

Insgesamt ist „Asche ist furchtlos“ ein Roman, den man nicht nach seinem Äußeren beurteilen darf. Einen halben Stern Abzug gibt es für die anstrengenden Drogendealer, einen weiteren für die kleinen Schönheitsfehler bei Lektorat und Cover. Unterm Strich gibt es von mir aber eine ganz klare Leseempfehlung für diesen Ausflug in den Berliner Underground.

Du willst mehr von Sophie lesen? Hier gelangst du zu ihren Rezensionen.



 

Asche ist furchtlos

Clint Lukas

Thriller
Hardcover, 256 Seiten

erschienen bei Periplaneta

12. Dezember 2020

ISBN 978-3-959961967


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