Fantasy, wie es sein sollte – Das wandelnde Schloss
Das wandelnde Schloss: Sophie glaubt, als älteste Tochter, dürfe sie ihr Glück nicht suchen, da es immer schiefgehen würde. Daher versauert sie im staubigen Buchladen ihrer Stiefmutter, bis eine Hexe sie verflucht und Sophie plötzlich 90 Jahre alt ist. Um sich niemanden so zeigen zu müssen, flieht sie und findet ausgerechnet im wandelnden Schloss Unterschlupf, das dem bösen Zauberer Howl gehört, der angeblich junge Frauen frisst. Zum Glück ist sie ja nicht mehr jung!
Die ersten drei Dinge, die wir nach dem Lesen getan haben:
- Magret hat die letzte Szene noch einmal gelesen, weil sie SO GUT war.
- Marlen hat sofort recherchiert, welche Bücher die Autorin noch geschrieben hat.
- Magret und Marlen haben festgestellt, dass sie das Buch fast zeitgleich gelesen haben.
Unser Eindruck zu Das wandelnde Schloss:
Alter. Alter! Es sind nur wenige Stunden vergangen, seit ich das Buch beendet habe und ich konnte es kaum erwarte, die Rezension zu schreiben. Als wahrscheinlich allerletzte Person hatte ich die Ghibli-Version geschaut, die ich umwerfend fand. Das Buch begann fast identisch, weswegen ich nicht mit Überraschungen rechnete oder mehr erwartete als eine nette Unterhaltung. Ich lag so falsch!
Bei mir war „Das Wandelnde Schloss“ einer der ersten Ghibli-Filme und ich mochte ihn schon immer sehr. Kein Wunder, dass ich zum Buch gegriffen habe. Ich wusste nicht ganz, was ich erwarten sollte und, wie Magret bereits sagte, dachte ich zuerst, der Roman würde sich ziemlich ähnlich entwickeln wie der Film. Mit den Bildern aus dem Anime im Kopf habe ich zu lesen begonnen und dann …
Stärken des Buchs:
Die Figuren, die Figuren, die Figuren! Sophie, die Hauptperson in „Das wandelnde Schloss“ ist der Wahnsinn. Nachdem ein Fluch sie steinalt gemacht hat, genießt sie ihre Biestigkeit so charmant, dass es Freude macht. Dann gibt es noch Howl, der so überdramatisch und arrogant ist, aber trotzdem auf eine so liebenswürdige Weise. Calcifer, der Feuerdämon sorgt für die nötige Gemütlichkeit im Schloss und ist außerdem die stärkste (und geheimnisvollste) Magie im Buch. Michael, der bei Howl die Zauberei lernt, ist gutmütig und frech in einem. Ich möchte alle bitte einmal kräftig umarmen.
Natürlich haben die Dialoge deswegen so viel Witz, dass ich beim Lesen regelmäßig laut auflachte. Überrascht hat mich vor allem der Tiefgang in der Charakterisierung. Vor allem zum Ende hin machen die Figuren fast alle eine so interessante Wandlung durch. Die Dramatik dabei wird nicht von der Handlung getragen, sondern von den Figuren, was ich sehr feiere. Die letzte Szene, die wird wohl für immer bei mir bleiben. Für dieses Ende möchte ich ein Fest geben.
Marlen meint:
Auch hier kann ich Magret nur zustimmen. Auch wenn Calcifer mir im Film irgendwie besser gefallen hat, sind Howl und Sophie dafür umso liebenswerter. Als sehr unklassische Charaktere zeigen sie auch viele „unsympathische“ Charakterzüge, die sie aber von der breiten Protagonisten-Masse abheben und trotz des Fantasy-Settings umso menschlicher machen. Ihre Fehler und Eigenarten machen, dass man sie nur ins Herz schließen kann.
Zusätzlich zu Magrets Lobeshymne möchte ich noch die Atmosphäre in „Das wandelnde Schloss“ loben: Nicht unbedingt der Stil, aber die Beschreibungen der Farben und Düfte sind fast noch intensiver in meinem Kopf geblieben als die eigentliche Handlung. Man fühlt richtig die Stoffe, hat die Gerüche in der Nase und die dschungelhafte Blumenwiese, die im Buch beschrieben wird, ist mir auch ein halbes Jahr nach der Lektüre so lebendig in Erinnerung, als ob ich dort gewesen wäre.
Schwächen des Buchs:
Das Buch „Das wandelnde Schloss“ hat im Gegensatz zum Film den Nachteil, dass die Handlung in der Mitte chaotisch ist. Die Szenen scheinen keine bestimmte Reihenfolge zu haben, dazu werden Figuren ständig vorgestellt, verschwinden aber auch wieder und mir war das alles etwas zu viel. Ich hab mich irgendwann damit abgefunden, dass ich mir unmöglich alle merken und auch keine Handlungsstruktur erkennen kann, so konnte ich das Lesen genießen.
Auch wenn ich die Änderungen im Film nicht gut finde, hat dieser das zumindest ordentlicher gelöst. Was die Sprache betrifft, bin ich mir nicht ganz einig. Sie ist hölzern, fast plump, und wirkt oft faul, als habe die Autorin eher gebrainstormt als geschrieben. Dann gibt es aber wiederum so viele Stellen, vor allem die Dialoge, an denen das Buch so sehr von dieser Sprache lebt, dass ich mich frage, ob alles andere das Buch nicht verkitscht hätte.
Mit den vielen Charakteren in „Das wandelnde Schloss“ hatte ich keine Probleme, aber auch für mich war die Handlung zwischendurch zu chaotisch und nicht richtig abgehandelt. Dadurch, dass Sophie oft nur als Beobachterin fungiert, werden manche Szenen sehr wild dargestellt, andererseits … wenn man ein wildes Chaos beobachtet, das zwei Zauberer anrichten, und das nach außen hin schwer nachvollziehbar ist, wie soll man das dann ordentlich beschreiben?
Zur Sprache: Ich habe das Buch auf Englisch gelesen. „Plump und gebrainstormt“ ist es mir nicht unbedingt vorgekommen, am ehesten „etwas einfach gehalten“, was ich für ein Buch, das auch für Kinder gemacht ist, (und im Englischen wirkt es ja noch mehr als ein Kinderbuch als im Deutschen) angemessen fand.
Unser Fazit zu Das Wandelnde Schloss:
Wer uns kennt, weiß, wie furchtbar gerne wir uns über schlechte Bücher und vor allem schlechtes Fantasy aufregen können. Dieses Genre hat so viel Potenzial, aber ständig werden nur die gleichen flachen Figuren und Handlungen hervorgezogen, ständig ist alles episch bis zum Erbrechen (warum muss man jedes Mal gleich die ganze Welt retten?) und natürlich löst die Magie alles, anstatt das man den Verstand einsetzen könnte. Allerdings gibt es natürlich auch Ausnahmen und „Das wandelnde Schloss“ gehört dazu. Durch seine außerordentliche Andersartigkeit wird es zu einem mehrdimensionalen Werk, in dem man immer neue Dinge entdecken kann.
Für mich, Magret, ist es ein Werk, das ich immer und immer wieder lesen werde.
Du willst mehr von Magret und Marlen lesen? Hier gelangst du zu Magrets‘ Rezensionen. Marlens Rezensionen findest du hier.
Das wandelnde Schloss
Diana Wynne Jones
erschienen bei Knaur
02. Dezember 2019
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Magret liest nie, ohne dabei zu schimpfen. Am wenigsten mag sie wiedergekäute Ideen, leere Worthülsen oder Floskeln. Dafür steht sie auf Experimente, selbst wenn sie schiefgehen. Die Figuren sind ihr wichtiger als der Plot. Daher liest sie vor allem Entwicklungsromane, klassische und welche der Gegenwartsliteratur.