Bücher unseres Lebens – Was ist das beste Buch aller Zeiten?
Kindheitsklassiker, Liebesroman oder philosophischer Deeptalk mit dem Leben – wir alle haben dieses eine Buch gelesen, das absolute Lieblingsbuch, an das wir uns noch erinnern werden, wenn wir achtzig sind. Oder zumindest denken wir das. Bis das nächste kommt, das diesen Platz einnimmt. Was für Bücher sind es, die uns so am Herzen liegen, und warum? Was sagt das über uns aus? Und ist die Frage nach dem besten Buch aller Zeiten überhaupt zu beantworten?
Für alle Zeiten in diesem Moment
Das beste Buch aller Zeiten. Was für eine gemeine Frage. Eine Fangfrage, eigentlich. Denn es gibt nie ein Buch, das man für alle Zeiten als das Beste empfindet, das kann mir keiner erzählen.
Oder, wie Magret es auf den Punkt bringt:
Magret sagt: „Es ist sehr arschig, nach dem einen besten Buch zu fragen. Vielleicht ist es „Das Lachen des Geckos“ von José Agualusa, vielleicht aber auch „Ein unscheinbares Mädchen, ein Leben“ von Arthur Miller. Wahrscheinlich wird sich das in den nächsten Jahren zeigen. Oder auch nie.“
Allein wenn ich mir die Liste an besten Büchern anschaue, die ich vor etwas über einem Jahr für diesen Artikel hier erstellt habe, frage ich mich, was ich mir dabei gedacht habe. Viele dieser Bücher habe ich vor Jahren gelesen, damals toll gefunden und beschlossen, dass sie zu den besten gehören, die ich je lesen werde.
Und viel zu lange daran festgehalten. In Wirklichkeit ändern wir uns doch ständig, wir sind heute nicht mehr die gleichen, wie damals, als wir diese Bücher zu den Besten auserkoren haben.
Es geht also nicht darum, das für uns einzig wahre beste Buch aller Zeiten zu benennen, sondern das, was wir zu einem bestimmten Zeitpunkt im Leben dafür gehalten haben. Für manche bleibt es vielleicht immer dasselbe Buch, für die meisten aber wird sich die Antwort im Laufe ihres Lebens mehrmals ändern.
Warum die Frage danach wichtig ist
Trotzdem ist es gut, die Frage nach dem besten Buch aller Zeiten zu stellen, auch wenn sie unmöglich immergültig zu beantworten ist; denn die Antwort führt uns vor Augen, wer wir zu eben jenem Zeitpunkt waren, als wir diese Bücher zu den Besten aller Zeiten auserwählt haben.
Sie erinnert uns daran, was uns wichtig war und vielleicht immer noch ist – in Geschichten, ja, aber auch im Leben. Denn es geht um Bücher, die uns in irgendeiner Form so tief berührten, dass wir glaubten, uns für immer an sie erinnern zu werden.
Das allein zeigt schon, dass diese Bücher etwas in uns ausgelöst haben. Wir haben in ihnen etwas gefunden: Inspiration, ein sicheres Zuhause, Erkenntnis, ein bestimmtes Gefühl … Immer sind wir nach der Lektüre des besten Buches aller Zeiten jemand anderes als davor.
Kia über Das Café am Rande der Welt von Strelecky:
Kia sagt: „[…] Es geht in „Das Café am Rande der Welt“ darum, den eigenen ZDE, den “Zweck der Existenz” herauszufinden, und seit ich dieses Buch gelesen habe, habe ich mein Leben komplett verändert, inklusive gestarteter Selbstständigkeit. […] Aber der ganz persönliche Grund, warum dieses das für mich beste Buch aller Zeiten ist, liegt an meinem eigenen Lebensweg, der sich durch diese Lektüre in die richtigen Bahnen gelenkt hat.“
Manchmal sind wir nach der Lektüre auch mehr wir selbst als je zuvor. Wir erkennen uns selbst in diesen Büchern wieder. Eine Seite von uns, die sich bisher nur in groben Zügen abzeichnete, verschwommen, verborgen, wird plötzlich sichtbar, ganz deutlich. Ein möglicher Lebensweg tut sich vor uns auf, den wir davor nicht wahrgenommen haben.
Wiebke und ich haben durch ihre besten Bücher aller Zeiten zum Beispiel ihre Berufung zur Schriftstellerin (wieder)gefunden.
Wiebke über „Tintenherz“ von Cornelia Funke:
Wiebke sagt: „Als ich das Buch gelesen habe, war ich etwa fünfzehn Jahre alt. Cornelia Funke habe ich immer schon verehrt und Geschichten dachte ich mir schon aus, bevor ich überhaupt schreiben lernte, aber nach diesem Buch, wollte ich das auch können. Tintenherz ist ein Buch über Bücher und zugleich eine Ode an das gedruckte Buch. Es war das erste Buch, an das ich mich erinnern kann, richtig darin versunken zu sein. Kurz darauf habe ich meinen eigenen Roman zu schreiben begonnen.“
Sophie über „Just Kids“ von Patti Smith:
S.M. Gruber sagt: „Patti Smith ist sich ihrer Berufung als Künstlerin bewusst, sie zweifelt nie daran, selbst dann nicht, als sie eine Weile obdachlos ist. Sie folgt ihrer Intuition, lässt sich nicht davon abbringen und ist dabei auch noch unheimlich sanft- und freimütig. So will ich sein. Wenn ich nicht weiß, wie es weitergeht, wenn alles gegen mich und meine Kunst zu sein scheint, dann nehme ich dieses Buch zur Hand und lese die Stellen, die ich mir darin markiert habe, noch einmal. Als Erinnerung, auf meine Intuition zu hören, mein persönliches Mantra.“
Nicht immer muss es ein besseres Selbst sein, das wir im besten Buch aller Zeiten finden. Vielleicht ist es auch einfach ein Gefühl, gesehen, verstanden zu werden, mit all seinen Abgründen. Matthias über Hermann Hesses „Der Steppenwolf“:
Matthias sagt: „Das Buch, das mich am stärksten gepackt und beeinflusst hat, ist Der Steppenwolf von Hermann Hesse – jaja, ich weiß, ein Klischee. Es geht um einen Mann, der bald 50 wird und deshalb durchdreht. Er überlegt, sich umzubringen, trifft dann aber eine Frau, die eigentlich er selbst ist, geht tanzen und nimmt Drogen. Dieses ganze Gejammere hat mich peinlicherweise genauso berührt wie abertausende andere junge Leute weit unter 50 (was Hesse immer behämmert fand). Mir ist es vorgekommen, als schriebe Hesse mir aus der Seele. Warum? Weil der Protagonist Harry Haller die Schnauze voll hat und lieber säuft und sich auf eine rettende Frau verlässt, anstatt seine Probleme selbständig zu lösen.“
Eskapismus oder Die Flucht aus der realen Welt
Nicht immer befinden wir uns an einem Punkt in unserem Leben, wo wir auf der Suche nach der großen Erkenntnis sind. Manchmal ist das, was wir am meisten in unserem Alltag brauchen, bloß die Flucht daraus. Sich zugehörig fühlen zu einer Welt, die so ganz anders ist als unsere eigene.
Darum ist für Dean etwa „Harry Potter“ von J.K. Rowling das beste Buch aller Zeiten:
Dean sagt: „Weil es mich in eine Welt entführt hat, die für mich manchmal noch immer realer ist als mein „echtes“ Leben. Ich mag die Liebe zum Detail, den Ideenreichtum und den Schreibstil.“
Manchmal geht es aber auch darum, sich tiefen Gefühlen hinzugeben, die man im echten Leben so nicht erlebt – oder vielleicht auch gar nicht erleben möchte. Wer will schon die jahrelang funktionierende Beziehung aufgeben, nur, um noch einmal die Aufregung eines ersten Kusses mit einer neuen Liebe zu spüren? Oder einen geliebten Menschen verlieren, um mal wieder so richtig ausgiebig weinen zu können?
Es ist das High der Lesenden, wenn wir uns von gut geschriebenen Büchern mitreißen lassen, uns völlig hingeben, fühlen, was die Figuren darin fühlen, ohne dafür unser eigenes Leben aufs Spiel setzen zu müssen. Wenn die gelesenen Gefühle genauso echt wirken wie die gelebten.
Auch das kann ein bestes Buch aller Zeiten sein: eines, das uns für den Moment ein anderes Leben führen lässt. Curly findet sehr anschauliche Worte dafür:
Curly sagt: „Wie ein einziger Tag“ von Nicholas Sparks treibt mir Tränen in die Augen und eine Gänsehaut auf die Schultern. Die Szenen, die in verschiedenen Zeiten stattfinden, und die Geschichte, die sich in diesen Passagen abspielt, haben mich tief berührt. Ein Buch, das ich immer wieder lesen würde, um es nie-nie-niemals zu vergessen. Die Figuren sind charaktervoll und das Setting, der Ort und der Schreibstil sind inspirierend.“
Insgesamt ist der Schreibstil sowieso immer wichtig, wenn es um gute Bücher geht, geschweige denn die besten. Magrets Lieblingsbücher zeichnen sich neben dem Gefühlsspektrum vor allem durch ihre Sprachkunst aus:
Magret sagt: „Ein unscheinbares Mädchen, ein Leben“ hat eine unglaubliche Wucht. Es hat nur wenige Seiten (80 in der Version von Fischer) und jeder Satz ist ein Faustschlag oder ein Handstreichler. „Das Lachen des Geckos“ ist so herrlich skurril und lieblich, dieses Buch hätte ich gerne selbst geschrieben. Es beinhaltet viel Wahrheit, oder aber wahre Lügen, wie man es eben sehen möchte. Es lässt einen das Leben gleichzeitig ernst nehmen und nicht so ernst nehmen. So, wie es wahrscheinlich sein muss.“
Was für immer bleibt: Die Wucht, mit der man getroffen wurde
Das beste Buch aller Zeiten ist wie die Liebe deines Lebens. Vielleicht gibt es sie. Vielleicht wird sie im Nachhinein betrachtet zur Liebe deines Lebensabschnittes. Aber in diesem Moment, da ist sie es wirklich, die größte Liebe, die du je gefühlt hast. Sie trifft dich mit einer Wucht, die dir in Erinnerung bleibt, reißt dich von den Füßen und lässt dich fliegen.
Sie verändert dich, lässt dich Dinge erkennen, die dir bis dahin verborgen geblieben sind. Lässt dich den Sinn des Lebens erahnen. Entführt dich in eine völlig neue Welt. Motiviert dich. Versetzt dich in Entzücken ob ihrer ungeahnten Schönheit. Oder vielleicht lässt sie dich einfach aufatmen, zurücklehnen, fegt den ganzen Mist weg und lässt dich fühlen, dass alles in Ordnung ist, wie es ist.
Genau so verhält es sich mit deinem ganz persönlichen besten Buch aller Zeiten in diesem Moment.
Hier sind unsere.
Welche sind deine?
Autor*in | Titel |
Adams, Douglas | Per Anhalter durch die Galaxis |
Agualusa, José Eduardo | Das Lachen des Geckos |
Andre, Christophe / Lelord, François | Der ganz normale Wahnsinn |
Avelle, Elenor | Infiziert |
Barrie, James Matthew | Peter Pan |
Borges, Jorge Luis | Fiktionen |
Burger, Hermann | Schilten |
Calvino, Italo | Wenn ein Reisender in einer Winternacht |
Camus, Albert | Der Mythos des Sisyphos |
Capote, Truman | Frühstück bei Tiffany |
Chambers, Becky | Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten |
Christie, Agatha | Und dann gab´s keines mehr |
Cline, Ernest | Ready Player One |
de Vigan, Delphine | Nach einer wahren Geschichte |
Ende, Michael | Die unendliche Geschichte |
Flynn, Gillian | Gone Girl |
Frisch, Max | Homo faber |
Frischmuth, Barbara | Machtnix oder Der Lauf, den die Welt nahm |
Funke, Cornelia | Kein Keks für Kobolde |
Funke, Cornelia | Hinter verzauberten Fenstern |
Gaiman, Neil | Der Ozean am Ende der Straße |
Gaiman, Neil | Neverwhere |
Green, John | Eine wie Alaska |
Hannig, Theresa | Die Optimierer |
Harari, Yuval Noah | Homo Deus |
Herrndorf, Wolfgang | Tschick |
Herrndorf, Wolfgang | Arbeit und Struktur |
Hesse, Hermann | Der Steppenwolf |
Hodgson Burnett, Frances | The Secret Garden |
Huch, Ricarda | Weiße Nächte |
Jonasson, Jonas | Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand |
Kang, Han | Die Vegetarierin |
Kafka, Franz | Der Prozess |
Kästner, Erich | Fabian |
Kehlmann, Daniel | Kommt, Geister |
Kepnes, Caroline | You – Du wirst mich lieben |
Kindermann, Magret | Und dein Leben, dein Leben |
Kundera, Milan | Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins |
Kundera, Milan | Die Unsterblichkeit |
Kuttner, Sarah | Mängelexemplar |
Lackmann, Laura | Die Punkte nach dem Schlussstrich |
Lelord, François | Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück |
Marzi, Christoph | Lycidas |
Meyer, Kai | Frostfeuer |
Miller, Arthur | Ein unscheinbares Mädchen, ein Leben |
Milne, A. A. | Pu baut ein Haus |
Niggenegger, Audrey | Die Frau des Zeitreisenden |
Nooteboom, Cees | Die folgende Geschichte |
Pratchett, Terry | Gevatter Tod |
Pratchett, Terry | Alles Sense |
Pratchett, Terry | Rollende Steine |
Rothmann, Ralf | Feuer brennt nicht |
Rowling, J. K. | Harry Potter im Allgemeinen, … Und der Gefangene von Askaban im Speziellen |
Sartre, Jean-Paul | Geschlossene Gesellschaft |
Schalansky, Judith | Der Hals der Giraffe |
Sepúlveda, Luis | Als Kater Zorbas der kleinen Möwe das Fliegen beibrachte |
Shakespeare, William | Ein Sommernachtstraum |
Shelley, Mary | Frankenstein |
Shusterman, Neal | Scythe |
Smith, Patti | Just Kids |
Sparks, Nicholas | Wie ein einziger Tag |
Strelecky, John | Das Café am Rande der Welt |
Süskind, Patrick | Das Parfum |
Taylor, Dennis E. | Ich bin viele |
Volo, Fabio | Zeit für mich, Zeit für dich |
von Horvath, Ödön | Jugend ohne Gott |
Walsh, Helen | Millie |
Wells, Dan | Ich bin kein Serienkiller (1-3) |
Wilde, Oscar | Das Bildnis des Dorian Gray |
Wolf, Christa | Medea. Stimmen. |
Yalom, Irvin | Und Nietzsche weinte |
Yanagihara, Hanya | Ein wenig Leben |
Zimmer Bradley, Marion | Die Nebel von Avalon |
Bücherphie, das bin ich, wenn ich mich auf Instagram und meinem Blog herumtreibe. Und S. M. Gruber, das bin auch ich, aber wenn ich Bücher schreibe.