Überstürzte Liebe mit heftigen Nachwirkungen – Die Liebe meines Lebens [Rezension]

Überstürzte Liebe mit heftigen Nachwirkungen – Die Liebe meines Lebens [Rezension]

Steffi führt ein bodenständiges Leben bis sie unerwartet zur wohlhabenden Erbin wird. Als würde sie der Reichtum nicht schon genug überfordern, verliebt sie sich Hals über Kopf in Caro, die vom Leben als Schriftstellerin träumt. Steffi würde am liebsten das von finanziellen Sorgen befreite Leben mit ihrer großen Liebe genießen, doch Caro quält sich durch die Höhen und Tiefen ihrer ersten Romanveröffentlichung und den sich daraus ergebenden Konsequenzen. Steffi erkennt bald, dass das Leben ihrer Freundin vom Schreiben bestimmt wird und nicht von ihr. Sie beschließt, Caro in ihrem Traum zu unterstützen, koste es, was es wolle.

Die ersten drei Dinge, die ich nach dem Lesen getan habe:

  1. Geschaut, wo es weiter geht
  2. Buchverkäufe mit Familienmitgliedern abgeglichen
  3. Rezept für Macarons gesucht

Mein Eindruck zu “Die Liebe meines Lebens”:

Es war mal wieder ein Neugier-Kauf. Aufmerksam wurde ich durch die gleichnamige Kurzgeschichte, die Michaela Stadelmann für die Anthologie Herzgezeiten einreichte. Die Protagonistin Steffi erschien mir damals noch etwas sperrig, doch ihre Partnerin Caro schloss ich gleich ins Herz.

Die Liebe meines Lebens” überraschte mich. Schließlich glaubte ich zu wissen, was auf mich zukommt. Die Novelle verkleidet sich als klassischer, bequemer Liebesroman, tischt jedoch mit jedem Kapitel tieferliegendere Probleme auf. Persönlich, gesellschaftlich und beziehungstechnisch beinhaltet das Buch einige saure Drops, die die Lesenden zu lutschen haben. Einige hinterlassen einen pelzigen Nachgeschmack. Erzählt wird die Geschichte in einem vorwiegend schwungvollen, teils lustigen Ton, was die Lektüre angenehm gestaltet und genug Raum zum Nachdenken über die angesprochenen Themen lässt.

Stärken des Buchs:

Besonders positiv sind mir die konsequent dargestellten Figuren aufgefallen. Haupt- wie Nebenfiguren sind glaubhaft und überzeugend beschrieben. Nicht unbedingt sympathisch, aber das macht sie umso realistischer. Als Autorin konnte ich mich am besten mit Caro identifizieren, die den vollen Autorinnen-Emotionscocktail mitmacht, den die Lesenden jedoch aus Steffis Sicht mitbekommen. Dieser Umstand macht die Geschichte gleichermaßen unterhaltsam wie tragisch, denn Steffi kann dem Autorenleben absolut gar nichts abgewinnen. Trotzdem tut sie alles, ja wirklich ALLES, um ihre große Liebe zu unterstützen.

Womit wir beim nächsten herausragenden Aspekt der Geschichte sind: Die kleinen und großen Anekdoten aus dem Leben einer Autorin, insbesondere einer Self-Publisherin. Ich habe beim Lesen lauthals gelacht und bittere Mitgefühlstränen geweint, die allerdings nicht der Protagonistin galten. Einige der Situationen wirken überzogen und häufig stellt sich die Frage: Gibt es solche Leute wirklich? Aber wer schon einmal mit Menschen zu tun hatte weiß, dass es sie gibt.

Was Steffi ausmacht

Menschen und menschgemachtes Leid sind ein wichtiger Bestandteil der Handlung. Steffi, die zu Beginn eher introvertiert und in Teilen sehr abhängig von einigen Bezugspersonen ist, löst sich auf Umwegen aus dieser Einschränkung. Auf den Kern ihres Problems möchte ich hier nicht näher eingehen, da er die Handlung ausmacht und zuviel vorwegnehmen würde. Nur soviel: Während des Lesens habe ich mich erwischt, dass Steffis Argumentation und Selbstbetrug mir teilweise einleuchtete. Also nicht nur die Figur geht diesen Weg überzeugend, sondern reißt die Lesenden zugleich aus ihrer Distanz. Sie ist dabei anstrengend, teilweise nervig, aber glaubhaft.
Caro erlebt die Achterbahnfahrt des Autorenlebens und lässt sich in jedes Tal fallen, das sich ihr auftut. Sie merkt zunächst nicht, dass sie ihre Freundin jedes Mal mitreißt.

Das Buch drückt sich nicht vor den unbequemen Themen, die mit einer gleichgeschlechtlichen Liebesbeziehung einhergehen. Steffis anfängliche Verwirrung, sich in eine Frau verknallt zu haben, wird angedeutet, aber nicht bis zum Erbrechen durchgekaut. Das engere Umfeld reagiert aufgeschlossen, dennoch sehen sich die beiden Frauen bald mit Mobbing an ihrem Arbeitsplatz konfrontiert. Die Vorfälle und Situationen sind gut ausgewählt und feinfühlig erzählt. Ich behaupte jede*r Leser*in kennt ähnliche Situationen, wenn auch aus unterschiedlichen Perspektiven.

Es gab immer wieder Stellen, an denen ich gelacht habe und mich hinterher fragte, was eigentlich so lustig war. Der Autorin gelingt es, tragische, teils erschütternde Elemente komisch darzustellen. Sie provozirt damit ein Lachen, das im Halse stecken bleibt.

Schwächen des Buchs:

Für mich gab es einen Punkt, der mich wirklich genervt hat. “Die Liebe meines Lebens” fußt auf einer Liebe auf den ersten Blick. Für mich ist das absolut unglaubwürdig und lässt die Protagonistin am Anfang total überdreht wirken. Im Laufe der Handlung relativiert sich das zum Glück. Klar unterliegt Steffi weiterhin extremen Stimmungsschwankungen, wenn es um die Beziehung zu Caro geht, aber sie wirken glaubhafter. (Ich gebe zu, dass diese Schwäche vielleicht nur in meinen Augen so wirkt, weil ich eine Ablehung gegen derart gehypte erste Begegnungen hege.)

Sonst habe ich nur an der Figur des überfürsorglichen Chefs von Steffi zu meckern. Lothar ist derart gönnerhaft perfekt, dass ich ihn nicht leiden konnte. Er ist durch und durch ein guter Kerl, die Grenze zwischen Mentor, Chef und vielleicht auch Vaterersatz verwischt. Mir kam er zu gut vor, um noch wahr zu sein. Dennoch sehe ich ein, dass Lothars Rolle wichtig für Steffis Entwicklung ist und sein Auftreten sie mehrfach über sich selbst reflektieren lässt.

Mein Fazit zu “Die Liebe meines Lebens”:

Wer eine angenehme, aber eben nicht zu leichte Sommerlektüre sucht, ist hier goldrichtig. Der Schreibstil ist flüssig, mitreißend und lässt genug Raum für Gedanken über das Gelesene. Die Figuren sind authentisch und lebensnah. Ich hatte nicht das Gefühl unerreichbare Katalogmodelle beschrieben zu bekommen, sondern Leute denen ich auch im echten Leben begegnen könnte.

Über die Schluckauf-Verliebung schaue ich gerne hinweg, weil die sich anschließende Beziehung vor kaum einem Konflikt zurückschreckt. Selfpublishern möchte ich die Lektüre ganz besonders ans Herz legen. Die kleinen Anekdoten aus Caros Erfahrungen mit dem Autorenleben machen Spaß und helfen, dass eigene Wirken auch mal mit einem Augenzwinkern zu betrachten.

Du möchtest mehr Rezensionen von Wiebke Tillenburg? Hier findest du ihre Lesehistorie!



Die Liebe meines Lebens

Michaela Stadelmann

Gay Romance Liebesroman
Softcover, 388 Seiten

erschienen bei Textflash

29. Mai 2019

ISBN 978-3-940582911

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