Agatha Christie, ein bisschen Steampunk & etwas Kritik – Eine Studie in Tintenblau

Agatha Christie, ein bisschen Steampunk & etwas Kritik – Eine Studie in Tintenblau

Eine Studie in Tintenblau: Der Geistliche Elijah Fuchs hat kaum Erwartungen an die kleine Gemeinde in Bonpoint, in der er eine Stelle als Pfarrer annimmt. Dass seine Schwester im gleichen Ort wohnt, erscheint ihm zunächt als glückliche Fügung, bis er in eine ihrer Mordermittlungen verwickelt wird. Immerhin lernt er so die intelligente, alleinerziehende Ingenieuerin Thea Elster kennen.

Mal gemeinsam, mal nebeneinander und immer ein bisschen im Wettlauf mit der Polizei ermitteln sie in einem Mord, der auch Thea bald zur Verdächtigen macht.

#Werbung – bei dieser Rezension handelt es sich um eine beauftragte Rezension.

Die ersten drei Dinge, die ich nach dem Lesen getan habe:

  1. Weiter geblättert, nochmal geblättert – mist! Buch ist zu Ende
  2. Ins Impressum geschaut
  3. Autorin gegoogelt

Mein Eindruck zu „Eine Studie in Titenblau“:

Als ich „Eine Studie in Titenblau“ zu lesen begann, hatte ich wenig bis gar keine Erwartungen an den Inhalt. Ein Krimi, mit Steampunk und ein bisschen Gesellschaftskritik. Das klang interessant. Ich mag Krimis, mit Steampunk habe ich bisher keine Erfahrungen und Gesellschaftkritik ist immer gut. So dachte ich. Auf den ersten Seiten kamen mir jedoch Zweifel. Der Text wirkte unreif, unfertig und irgendwie hölzern, dennoch schaftte es die Handlung schließlich, mich zu fesseln und die Geschichte rasch durchzulesen.

Das Cover passt zum Genre und weckt die richtigen Erwartungen, der Titel spielt zudem recht eindeutig auf „Die Studie in Scharlachrot“ an, womit der Bezug zum schrifstellerischen Vorbild auch ganz klar hergestellt wird, so ahnte ich bereits, in welche Richtung der Kriminalfall gehen könnte.

Stärken des Buchs:

Ich muss gestehen, dass es mir schwerfällt, die Stärken des Buches auf den Punkt zu bringen, denn wie bei vielen Dingen im Leben fallen mir zunächst die negativen Punkte ein. Dennoch hat mich irgendetwas bewogen, weiterzulesen. Ich wollte wissen, wie es ausgeht, ob ich recht hatte mit meinem Verdacht bezüglich des Mörders und natürlich wie die Geschichte für die beiden Perspektivfiguren Herr Fuchs und Frau Elster ausgeht. Und letztlich ist das eine wichtige Eigenschaft für einen Krimi: Er muss fesseln, die Lesenden bis zum Ende mitfiebern lassen.

Nicht zuletzt hing dieser Wille zum Mitfiebern an der Figur Thea Elster. Hielt ich sie zunächst für blass und oberflächlich beschrieben, so stellte sich im Verlauf der Handlung zunehmende der starke Charakter der Protagonistin heraus. Ich möchte an dieser Stelle nicht zu viel vorweg nehmen, doch soweit ich es beurteilen kann ist die Situation der Alleinerziehenden sehr überzeugend dargestellt. Thea Elster lebt am Rande der Gesellschaft, der Mann hat sie sitzenlassen. Somit ist sie weder geschieden noch verwitwet und es ist eigentlich gleichgültig, mit wem sie sich wie, wo trifft, es sorgt für Tratsch in dem kleinen Ort. Sicherlich ist das Leben in der Kleinstadt nicht ganz klischeefrei, dennoch würde ich es an dieser Stelle als literarische Übertreibung durchgehen lassen.

Ebenso wird deutlich, dass Thea es in erster Linie ihrer Stärke und Intelligenz zu verdanken hat, dass sie sich erfolgreich durchkämft, ein starker Wille und ein scheinbar undurchdringliches Netz an Leidensgenossinnen und Freunden kommen als unterstützende Faktoren hinzu.

Die angenehme Studie in Tintenblau

Thea Elster umgibt sich vorwiegend mit Freundinnen, die sich in einer ähnlich oder anders schwierigen Situation befindenwie sie selbst. Sie alle sind Akademikerinnen, teils mit, teils ohne Abschluss, in unterschiedlichen Lebensabschnitten. Da findet sich die Verwitwete Alleinerziehende, neben der taffen Unternehmerin, eine Angestellten der Universität, alles Frauen, die ihr Leben selbst in die Hand genommen haben. Das beschriebene Umfeld der Protagonistin gefiel mir daher ziemlich gut.

Die zweite Perspektivfigur Elijah Fuchs ist ähnlich empathisch gestaltet. Als kriegsversehrter Pfaffer, sehnt er sich nach einem ruhigen Leben in einer überschaubaren Gemeinde, da erscheint Bonpoint nahezu perfekt, zumal er hier auch seiner Schwester näher ist. Als Geistlicher wurde die Figure jenseits gängiger Klischees beschrieben. Elijah gibt sich durch und durch modern, was sich nicht zuletzt durch seinen flippigen Kleidungsstil äußert. Außerdem hält er sich mit gottesfürchtigen Phrasen und allgemeinen Lebensweisheiten zurück und bewertet das Leben und Verhalten der Menschen anhand der jeweiligen Lebensbedingungen und erst in zweiter Instanz nach christlichen Maßstäben.

Der Kriminalfall an sich ist klassisch gestalten, angenehm mitzuverfolgen, jedoch nicht weiter kompliziert. Mehr möchte ich hier nicht sagen, um Spoiler zu vermeiden.

Schwächen des Buchs:

Obwohl das Buch über eine solide Basis verfügt, habe ich bei den Feinheiten umso mehr zu meckern. Dabei gehe ich zunächst auf das Offensichtliche ein und das ist die sprachlich-stilistische Schwäche. Als ich die Lektüre begann drängte sich mich der Eindruck auf, dass der Text kein professionelles Lektorat durchlaufen hat. Im Impressum ist zwar eine Lektorat eingetragen, doch liest es sich eher wie ein oberflächliches Korrektorat. Der Stil ist hölzern, mehr tell als show und strotzt Stellenweise vor Wiederholungen. Mir voranschreitendem Lesen, konnte die Handlung diese Schwäche leicht überdenken, doch die Autorin in mir weinte leise vor sich hin.

Im Rahmen dieses Kritikpunktes ist ebenso die halbherzig umgesetzte Diversität zu nennen. Die Autorin hat offensichtlich versucht, Figuren unterschiedlicher Herkünfte einzubauen, allerdings mit der Holzhammer-Methode. Ich bin gewisse keine Expertin was Diversität angeht und muss selbst noch viel lernen, was die sensible Umsetzung diverser Figuren angeht, dennoch sind mir die Klischees bei der Beschreibung vor allem bei der chinesischen Ladenbestizerin sowie des japanischen Herbergsvaters aufgefallen. Hinzu kamen die rein äußerlichen Beschreibungen einiger ihrer Freundinnen. Ich stelle den Versuch, eine nicht ausschließlich weiße Gesellschaft zu schreiben sehr positiv fest, doch zur gewissenhaften Umsetzung, fehlt die nötige Überarbeitung. Viele der unglücklichen Formulierungen wären vermutlich schon bei einem gewissenhaften Lektorat aufgefallen.

Figuren und Beziehungen

Innerhalb der Figurenkostellationen ist mir die Beziehung der Geschwister Fuchs negativ aufgefallen. Zwar behauptet Elijah zu Beginn, dass er sich freut, in die Nähe seiner Schwester zu ziehen, doch ist er die meiste Zeit von ihr genervt oder fühlt sich bevormundet. Das würde ich gegenfalls noch unter Geschwisterdualität abheften, seine Reaktion auf den Lebensgefährten seiner Schwester kam mir jedoch übertrieben vor. Dieser wird als Muskelprotz beschrieben und Elijah begegnet ihm mit einigen Vorurteilen, die er jedoch revidieren muss. Trotzdem ist er nicht begeistert von der Verbindung, verdreht die Augen über seine schmachtende Schwester, reagiert angeekelt, wenn das junge Paar sich küsst. Obwohl es keinerlei Gründe für Misstrauen oder Ablehnung des Lebensgefährten gibt, verhält sich Elijah als wäre er eifersüchtig und ist offenbar nicht in der Lage, sich über das Glück seiner Schwester zu freuen.

Die Sache mit dem Steampunk … Es gab Eisenbahnen, Fernsprechappate und mechanische Prothesen, ob es dafür unbedingt den Steampunk-Stempel braucht, weiß ich allerdings nicht. Die Geschichte hätte auch durchaus als klassischer Krimi im Industrialimus funktioniert. So kann ich sagen: Es ist da, stört nicht, macht aber relativ wenig mit der Handlung und der Atmosphäre. Letzteres kann durchaus an den teils ungeschickten, umständlichen Beschreibungen liegen – womit wir wieder beim Lektorat wären.

Leider hat mich auch das Ende der Geschichte etwas unglücklich gestimmt. Der Ausgang des Kriminalfalls ist für mich in Ordnung und interessant gelöst. Dennoch hatte ich das Gefühl, mitten in der Handlung stehengelassen worden zu sein. Ich saß im Theater und plötzlich gingen alle Schauspieler von der Bühne und jemand schaltete das Licht aus. Zwar wird darauf hingewiesen, dass es der Auftakt einer Reihe ist, dennoch hätte ich mir einige Fragezeichen weniger gewünscht, so war es wie das Ende einer Netflix-Staffel, das vor Cliffhangern nur so strotzt.

Mein Fazit zu „Eine Studie in Tintenblau“:

„Eine Studie in Tintenblau“ ist ein netter Krimi, der stark an die gemütlich überschaubaren Kriminalfälle mit Miss Marple erinnert (bitte nicht negativ verstehen: Ich liebe Agatha Christie). Mit einem gründlichen Lektorat lässt sich sicherlich vielmehr aus der Geschichte machen, so ist es ein netter Krimi für Zwischendurch und für nicht allzu kritische Leser*innen, die den ein oder anderen Griff in die Klischeekiste übersehen.

Leider bin ich nicht bereit, alle dieser Patzer von „Eine Studie in Tintenblau“ zu verzeihen, weshalb ich bei der Sternevergabe nicht allzu großzügig bin. Dennoch erkenne ich die solide Basis an und wünsche der Autorin und ihren Leser*innen, dass dies der Auftakt einer immer besser werdenden Reihe ist. Denn das Interesse an der weiteren Geschichte wurde auch bei mir geweckt.

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Eine Studie in Tintenblau

Anja Stephan

Krimi Steampunk
Softcover, 280 Seiten

erschienen bei Books on Demand

10. Januar 2019

ISBN 978-3-748182122

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