Ich hasse Rezensionen – Ich hasse Menschen [Rezension]
Julius Fischer schreibt, wie er denkt. Dabei geht er auf seine Gedanken ein, die abschweifender nicht sein können. Über eine Zugfahrt, in die selbstverständlich Verzögerungen und ein Mal Umsteigen eingebaut sind, sitzt Julius einfach so im Zug und hasst vor sich hin. Er ist auf dem Weg zu einer Literaturagentur und schreibt an dem Buch „Ich hasse Menschen“. Das sagt er nicht so ganz ausdrücklich, aber ich bestimmte das jetzt mal so. Es handelt sich bei „Ich hasse Menschen“ nämlich um ein Gedankenprotokoll mit zahlreichen Abschweifungen. Kaum Handlung, dafür doppelt Humor. Zum Mitnehmen. Da geht es um nervige Rentner, anstrengende Ausflüge, hassenswerte Bekannte, Poetry Slam und alles, was man sonst mit ergiebigem Hass verbinden kann.
Die ersten drei Dinge, die ich nach dem Lesen getan habe:
- Die Danksagung gelesen – das mache ich zugegebenermaßen eher selten
- Aus der Bahn gestiegen
- Mir Möhren gekauft
Mein Eindruck zu Ich hasse Menschen:
Ich hasse Peggy. Die Menschen, mit denen der Autor von „Ich hasse Menschen* in Berührung kommt, sind wirklich furchtbar. Dabei geht es nicht um Menschen, die abnormal schlimm sind, sondern um Leute, die jeder kennt. Ich habe mich oft im Autor selbst wiedererkannt und konnte mich auch mit dem Möhrenmann, der sich von der ersten bis zur letzten Seite der Novelle genüsslich über das harte Gemüse hermacht, identifizieren. „Ich hasse Menschen“ ist ein Buch zum Schmunzeln über sich selbst, Verstandenfühlen bezüglich des völlig verständlichen Menschenhasses und zum Weniger-Ernst-Nehmen von – ja, von allem.
Stärken des Buchs:
Ich hasse Julius Fischer. Seine Art zu schreiben ist herrlich authentisch, liest sich aber, als wäre das Buch wirklich von Anfang bis Ende in einem Rutsch geschrieben worden. Es ist schon etwas bitter, ein sehr gutes Werk zu lesen, dem man nicht ansieht, dass da ein halbes Jahr Arbeit drinsteckt. Wo soll man denn da meckern? Ich hasse Rezensionen, in denen ich nicht meckern kann. Negative Rezensionen sind mir die liebsten, da bin ich am kreativsten.
Der Autor spielt beim Schreiben ein bisschen mit dem Plotelement, dass er im Buch im Zug sitzt und schreibt. Da wird mal etwas groß geschrieben und mit einer Quadrillion Ausrufezeichen versehen, um dem Getippsel Ausdruck zu verleihen, und ein Text-Emoticon (¯_(ツ)_/¯) kam auch drin vor. Das ist auflockernd und liebreizend – ich hasse das Wort „liebreizend“. Beim Lesen nimmt man schnell den Schreibstil von Julius Fischer in sich auf und verwandelt ihn in einen eigenen Denkstil. Das Wort „Hass“ verliert seine Ernsthaftigkeit und wird zu etwas Leichtem und Lockeren, sodass man nervige und rücksichtslose Menschen mit einem Augenzwinkern (oder besser doch Augenrollen) hasst.
Noch mehr Stärken
Ziemlich cool ist übrigens auch die Klappe. Darauf ist ein kurzer Dialog abgebildet, der herrlich ins Buch einleitet. Ich erlaube mir mal, ihn hier zu zitieren.
„Warum schreibst du eigentlich so viel?“, fragte das Kind.
„Weil ich Schriftsteller bin“, erwidere ich.
„Das ist langweilig“, sagte das Kind und geht weg.
Besonders hervorzuheben ist auf der Stärken-Seite auch die Länge der einzelnen Geschichten. Im Prinzip ist der Plot nur eine Ausrede, um die einzelnen Geschichten an ein Band zu hängen und ihnen somit einen Zusammenhang zu geben. Sie passen hervorragend hinein. Sobald ich genug von einer Abschweifung hatte, kehrte der Text auch in die Gegenwart an den aktuellen Ort zurück. Nichts kam mir künstlich in die Länge gezogen oder in der Kürze verkümmert vor. Das Buch liest sich flüssig und wirft den Leser ständig hin und her, und das in einer sehr authentischen und angenehmen Art und Weise.
Außerdem möchte ich jedem Leser und jeder Leserin dringens ans Herz legen, die Danksagung zu lesen. Ich hasse Danksagungen. Die Art, wie Julius Fischer denen, die an der Entstehung von der Novelle „Ich hasse Menschen“ beteiligt waren, dankt, ist erheiternd, lustig, mit Liebe – äääh, Hass zum Detail formuliert und macht nochmal richtig Spaß beim Lesen. Wie so ein Mikro-Spin-Off, nur eben als Danksagung.
Schwächen des Buchs:
Ich hasse Übertreibungen. Wenn man lustig sein will, muss man meiner Meinung nach bei der Realität bleiben. In „Ich hasse Menschen“ hatte Julius Fischer ein bisschen was von Torsten Sträter, dessen Humor mir zwar gefällt, die Geschichten aber durch ihre massiven Übertreibungen bröckeln und mich nicht voll abholen. Das geht ein bisschen an meinem Geschmack vorbei und war stellenweise in der humorvollen Novelle zu finden. Subjektive Sache, das.
Außerdem fand ich das Lesen schwierig, weil es keine Kapitel gibt. Nichtmal anständige Absätze, die mit meinem Lesezeichen harmonieren. Das mochte ich wirklich nicht und habe von den 152 Seiten, die die Novelle geht, etwa 175 gelesen, weil ich natürlich gar kein Lesezeichen benutzt habe. „Mach‘ ich morgen“, sagte ich, und dann war das Buch ausgelesen.
Mein Fazit zu Ich hasse Menschen:
Ich hasse Fazits. Eigentlich ist schon alles gesagt, und ich kann euch nur empfehlen, das Buch zu kaufen. Mit 16,00 € für 160 Seiten ist es zwar teurer als Bücher mit vergleichbarer Ausstattung und Umfang, aber für dieses Werk will man Autor & Verlag doch gerne ein bisschen mehr Geld zustecken. Ich hasse Knausrigkeit, also kauft euch das Buch und hasst fröhlich vor euch hin. Es macht Spaß. Und wenn es euch keinen Spaß macht, macht ein Trinkspiel draus und kippt immer einen, wenn ihr „Ich hasse [Wort einfügen]“ lest. Oder benutzt „Ich hasse Menschen* aufgeklappt auf Augenhöhe als Abwehrschild gegen lästige Mitreisende. Ach, kauft einfach das Buch.
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Ich hasse Menschen
Julius Fischer
erschienen bei Voland & Quist
17. März 2018
Kia liest. Nicht nur Sachbücher zur persönlichen Entwicklung und Schreibratgeber, sondern auch Entwicklungsromane, nerdige Science Fiction und alles, was zwischen Utopie und Dystopie ein bisschen Drama angereichert hat. Beim Buchensemble gibt sie hin und wieder Einblicke in ihre Reiseberichte, die sie beim Durchqueren spannender Welten anfertigt.