Eine lange Reise – Cross Roads
Crossroads: Inspector Norcott wird strafversetzt, ausgerechnet nach Guernsey, wo es nichts gibt als Wiesen und Schafe. Und natürlich den Zweiten Weltkrieg, der ganz Europa in Atem hält. Gleich nach seiner Ankunft ereignet sich ein Mord, dessen Ermittlungen sich als schwieriger herausstellen, als zu erwarten war: verschwiegene Zeugen, militärische Geheimhaltung und die bevorstehende Invasion durch die Deutschen machen ein Vorankommen für den Inspector fast unmöglich.
Die ersten drei Dinge, die ich nach dem Lesen getan habe:
- Nachgeschaut, wie es um Band 2 steht (Ja, den gibt es schon).
- Meinen Kindle aufgeladen.
- Mir einen Tee gekocht.
Mein Eindruck zu „Crossroads“:
Ich muss ja gestehen, ich hatte schlimme Anfangsschwierigkeiten mit diesem Roman. Fast zwei Jahre ist er auf meinem Kindle herumgelungert, mit nur ein paar gelesenen Seiten. Das lag zum ersten daran, dass ich mich erst einmal an den Kindle gewöhnen musste, aber zum anderen auch daran, dass ich einfach nicht in die Geschichte reingekommen bin. Die Handlung bei „Cross Roads“ entwickelt sich sehr langsam, der Inspektor ist auch nicht unbedingt der Schnellste und dass die (teilweise sehr frustrierenden) Ermittlungen von allen Seiten blockiert werden und dauernd in Sackgassen führen, trägt auch nicht unbedingt dazu bei, dass es schnell spannend wird. Solche Bücher lese ich eigentlich nicht, und mögen tu ich sie eigentlich auch nicht. Trotzdem, das Buch war ja schon da und verkommen wollte ich es auch nicht lassen, also habe ich beschlossen, mich noch einmal voll und ganz auf „Cross Roads“ einzulassen und siehe da: In ein paar Tagen ausgelesen!
Stärken des Buchs:
Die große Stärke bei diesem Buch von Jürgen Albers ist bestimmt nicht die Spannung, die einen auf der ersten Seite überfällt. Dafür hat es andere Qualitäten: Die Charaktere sind solide, die Beschreibungen sehr ausführlich und – das größte Lob bei diesem Buch – die Recherche einwandfrei (soweit ich das beurteilen kann). Albers zaubert ein beeindruckendes historisches Portrait von Guernsey und den Aspekten der politischen Entwicklungen der 40er Jahre, die die Geschichtsbücher nie erwähnen.
Die Handlung selbst ist in sich schlüssig und sobald man sich einmal von dem Gedanken verabschiedet hat, dass man jetzt einen waschechten Krimi mit Gänsehaut und Entsetzens-Momenten lesen wird, auch packend. Liest man es eher als gut recherchierten Historischer Roman mit Krimi-Setting, besticht „Cross Roads“ plötzlich durch seine Detailverliebtheit und die gelungene Atmosphäre, die durch klassische Krimi-Charaktere aufgepeppt wird. Ein dazu passender Stil und gelungene Perspektivenwechsel runden das Buch ab.
Schwächen des Buchs:
Mit den Stärken haben wir aber auch schon die Hauptschwächen des Buches beschrieben: Die Detailverliebtheit und ausführliche Recherche verhindert leider einen Spannungsaufbau, wie man ihn von einem Krimi erwartet. Die Charaktere (vor allem die Polizisten) sind ein recht stereotyp gewählt (der grummelige Inspektor, der fleißige Assistent) und bleiben oberflächlich, was es natürlich leicht macht, sie deutlich vor Augen zu haben, aber nicht unbedingt zu einer all zu großen Sympathiebildung führen.
Mein Fazit zu Crossroads:
Alles in allem hat mich „Crossroads“ nach dem missglückten Start dann doch noch erstaunlich intensiv gepackt. Sobald ich meine Erwartungen an einen Krimi abgelegt hatte (was ja ansich schon problematisch ist, weil Krimis lese ich sowieso schon ungern), habe ich plötzlich sehr schnell in den Roman gefunden und war an einem Punkt angelangt, wo ich einfach unbedingt wissen wollte, wie es weitergeht. Die Lektüre habe ich dann auch tatsächlich sehr genossen und den Wälzer (616 Seiten!) erstaunlich schnell beendet (wenn man die ersten zwei Jahre wegrechnet).
Die Recherche hatte meiner Ansicht nach zwar immer noch einen zu hohen Stellenwert, da es in vielen Passagen so gewirkt hat, als hätte der Autor diese und jene Info einfach auch noch gern reingeschrieben, weil er wahrscheinlich a) sehr viel Arbeit in die Recherche gesteckt und b) selbst eine sehr große Liebe zu solchen detaillierten Beschreibungen hat. Für mich war es aber trotzdem zu viel und hätte gerne zugunsten des Spannungsaufbaus oder der Charaktergestaltung zurückgeschraubt werden können.
Wer aber auf gut recherchierte, historische Romane steht, deren Setting ein bisschen außergewöhnlicher ist und viel von der Atmosphäre der Zeit einfängt, bzw. für jene, die gerne ruhige historische Krimis mit grummeligen englischen Inspektoren lesen, ist dieser Roman perfekt. Deshalb vergebe ich für „Cross Roads“ mit gutem Gewissen 4 von 5 Sternen und eine klare Leseempfehlung. Ab nach Guernsey mit euch!
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Crossroads
Ein Inspektor Norcott-Roman.
Jürgen Albers
erschienen bei Create Space
05. Juni 2017
Auch wenn sie besonders oft Fantasy liest, wird prinzipiell jedes Buch gelesen, das unvorsichtig genug war, ihr in die Hände zu gelangen. Nur vor Krimis und Thrillern wahrt Marlen respektvollen Sicherheitsabstand, der sich bei begründetem Spannungsverdacht allerdings sehr schnell verringern kann. Wenn sie nicht gerade liest, haut sie wahrscheinlich gerade eifrig in die Tasten um ihre Roman voranzutreiben und ihre Figuren leiden zu lassen.