Das Peter-Problem – Qualityland

Das Peter-Problem – Qualityland

Zukunft. Qualityland. Die Menschen werden mit den Arbeitsbezeichnungen ihrer Eltern zum Zeitpunkt der Zeugung benannt. So sind Peter Arbeitsloser und Sandra Admin ein Paar, dessen Beziehung aber nicht lange hält: Sandra bekommt einen besser passenden Partner vorgeschlagen, denn alles ist intelligent in Qualityland.

Konsum ist Gott: Nichts wird repariert, Reparaturen oder Maschinentherapien sind strafbar. Peter Arbeitsloser betreibt eine Schrottpresse, in der er defekte und nutzlose Geräte zu Schrottwürfeln verarbeitet. Doch er bringt es bei einigen Dingen nicht übers Herz, die wahrnehmenden künstlichen Intelligenzen umzubringen. So bleiben ein Staubsaugerroboter mit Messie-Syndrom, Kalliope 7.3, eine E-Poetin mit Schreibblockade und ein verdächtig nach Känguru klingendes Qualitypad namens Pink beispielsweise am Leben und arbeiten mehr oder weniger motiviert an der Revolution.

Doch eigentlich geht es nur um einen rosafarbenen Delfin-Vibrator, der Peter Arbeitsloser ohne Grund zugesendet bekommen hat. Er möchte ihn zurückgeben und lernt auf seinem aufkeimenden Abenteuer die Hackerin Kiki kennen. Dann sind da noch die anstehenden Wahlen, denn die Präsidentin wird in 64 Tagen sterben …

Die ersten drei Dinge, die ich nach dem Lesen getan habe:

  1. Diese Rezension begonnen
  2. Big Bang Theory Staffel 2, Folge 5 in OV geschaut
  3. Dehnübungen und Yoga als Kurz-vorm-Einschlafen-Ritual

Die helle vs. dunkle Edition:

Die Geschichte von Qualityland wird unterbrochen von Werbung und einem Newsfeed. Sie stellen quasi die Bubble des Lesers bzw. der Leserin dar und prägen die gesamte Geschichte. Marc-Uwe Kling erklärt in folgendem Youtube-Video, warum es zwei Versionen gibt.

Diese Rezension bezieht sich auf die Katzenbilder-Version, positive Nachrichten, happy Bubble, kurz: Die helle Edition.

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Mein Eindruck zu Qualityland:

Qualityland ist eine Mischung aus ernstzunehmender Utopie und dem Humor von Marc-Uwe Kling. Das soll nicht heißen, dass die beiden Lager sich gegenseitig ausschließen würden, aber … doch, irgendwie schon. Ich habe wider Erwartens weniger „deutschen Humor“ gefunden, sondern eine in sich geschlossene, sinnvolle und manchmal sogar spannende Handlung. Klings Stärke liegt klar bei den Dialogen sowie in den alltäglichen Situationen. Sobald zwei Personen aufeinandertreffen, weiß Marc-Uwe Kling genau, was er tut. Die Handlung selbst ist weder spannend noch rasant, aber darum geht es bei Qualityland auch gar nicht. Dieses Buch enthält, wer hätte es gedacht, bissige Gesellschaftskritik, Sarkasmus und Humor, absurde und witzige Situationen, spannende, aber leider flache Charaktere, null Drama und ein paar Lacher.

Stärken des Buchs:

Ich liebe die Welt von Qualityland! Alles ist so wunderbar offensichtlich, dass es von Anfang an wie eine solch utopische Utopie wirkt, dass ihr der Tatsachen-Horror ins Gesicht geschrieben steht. Ein Beispiel:

Die Drohnen bringen dir, was du kaufen willst, auch wenn du noch nicht weißt, dass du es brauchst, die Krankenkasse vergibt Punkte für Sex und Fitnessstudio-Besuche, zieht welche für Alkoholkonsum ab. Jeder Mensch hat einen Level, der zwischen 2 und 99 liegt (2, denn dann fühlst du dich besser, weil jemand potentiell unter dir sein kann, 99, denn dann wirst du nicht übermütig, weil es noch Luft nach oben gibt). Dieser Level besteht aus 42 Unterkategorien, durch die jeder Mensch sein Leben und seinen Status optimieren kann – und natürlich findet man Berufe, Liebe und Luxus entsprechend seines Levels.

Dass das keine Utopie im Sinne von „hach, wie schön das wäre“ ist, ist mehr als offensichtlich. Das liebe ich so sehr an Qualityland. Marc-Uwe Kling erschafft eine Welt, die offensichtlicher katastrophal-digitalisiert nicht sein kann. Maschinen haben Rechte, sie haben Persönlichkeiten, und dazu wird alles überspitzt, was heute schon hässliche Auswüchse annimmt. Die Bewertungswut der Drohnen zum Beispiel (BEWERTE MICH MIT 10 STERNEN!!!), oder aber auch das Peter-Problem.

Das Peter-Problem in Qualityland

Das Peter-Problem kommt im ersten Viertel des Buches auf und zieht sich humoristisch durch ganz Qualityland. Es beschreibt das Problem, das Peter Arbeitsloser mit seinem Profil hat. Ihm wurde der pinke Delfin-Dildo zugeschickt, obwohl er ihn nicht haben wollte. Einerseits kann das sein, weil die Menschen ab und zu unerwünschte Dinge zugeschickt bekommen, damit sie nicht in absoluten Verfolgungswahn verfallen und sich dem System / Algorithmus überlegen fühlen können.

Andererseits passt der Dildo einfach zu Peters Online-Profil. Doch sein Profil könnte geklaut sein: Genau so, wie Fingerabdrücke gestohlen wurden, weshalb jetzt alle Authentifizierungen mit einem Lippenabdruck vollzogen werden. Außerdem heißen viele Menschen Peter Arbeitsloser, sicher wohnt einer von ihnen in derselben Straße, und sowieso: Wenn das Profil vorgibt, was er braucht, braucht er, was das Profil vorgibt, denn er hat nie ohne Profil gelebt, und was wäre Peter Arbeitsloser, wenn er kein Profil hätte?

Wie würde er es einrichten? Genau: Auf Grundlage der Daten, die er in seinem bisherigen vom Algorithmus ausgefüllten Profil gefunden hätte. Noch dazu ist jedes System in Qualityland eine Blackbox, von der man nur weiß, was hineinkommt und was heraustritt; Ein herrlich verworrenes und für Utopie-Fans wie mich umwerfendes Konstrukt voller Dominosteine.

Equalityland

Übrigens: Total genial, wie die Wörter „Marc“, „Uwe“ und „Kling“ das „E“ zu „EQUALITYLAND“ bilden auf dem Cover. Geniales Design!

Schwächen des Buchs:

Schwach finde ich, dass es in Qualityland kein Drama gibt. Es gibt nicht nur kein Drama, es gibt auch keine Emotionen. Eine Liebesgeschichte geht zu Ende – tja. Eine neue Liebe baut sich auf – tja. Die Welt könnte zusammenbrechen – tja. Jemand stirbt – tja. Qualityland hätte auch „Tja-Land“ heißen können. Falls Marc-Uwe Kling (oder Kalliope 7.3) ein Buch mit dem Titel „Tja-Land“ veröffentlichen sollte, möchte ich bitte Anteile daran.

Aber hätte ich etwas anderes erwarten sollen? Hätte ich etwas anderes gewollt? Ich weiß es nicht. Wobei, ich weiß es doch: Ich wollte Qualityland so, wie es ist. Einen zweiten Teil würde ich mir noch wünschen, besser heute als morgen, aber darauf wird noch zu warten sein.

Mein Fazit zu Qualityland:

Qualityland ist ein hervorragendes Buch. Ich bin froh, dass mein Bauchgefühl mich zur hellen Edition bewegt hat, dennoch bin ich neugierig auf die dunkle Edition. Von mir wird es allerdings keine „dunkle Rezension“ geben, auch wenn ich die entsprechenden Stellen auch in schwarz hören möchte. Marc-Uwe Kling hat mit Qualityland wieder einmal bewiesen, dass er ein nicht mehr wegzudenkender Schriftsteller unserer Zeit ist und ich bin dankbar für jede Seite dieser hervorragenden Utopie.

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Quality Land (helle Edition)

Marc-Uwe Kling

Utopie
Hardcover, 384 Seiten

erschienen bei Ullstein

22. September 2017

ISBN 978-3-550050237


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