Compendium Obscuritatis – hat zum Glück nichts mit Latein zu tun

Compendium Obscuritatis – hat zum Glück nichts mit Latein zu tun

“Compendium Obscuritatis – Von Musen und Monstern” ist eine Kurzgeschichtensammlung der besonderen Art. Zwischen ihren Seiten tummeln sich ausschließlich Gestalten, die die Schreibenden für dieses Buch kreiert haben. Hier reihen sich freundliche, flauschige Traummonster, neben albtraumreife, kindsraubende Trauergestalten. Gut, böse, hilfbereit, faszinierend und angsteinflößend verschwimmen in dieser Sammlung zu einem abwechslungsreichen Leseerlebnis.

 

Die ersten drei Dinge, die ich nach dem Lesen getan habe:

  1. Schnell den Kaffee geleert
  2. Haube und Maske aufgesetzt
  3. Zurück an die Arbeit

Mein Eindruck zu “Compendium Obscuritatis – Von Musen und Monstern”:

Ich sollte von vorneherein darauf hinweisen, dass ich Mitlgied bei den Schreibenden von Nikas Erben bin. “Compendium Obscuritatis” ist die erste Anthologie, bei der ich weder als Autorin noch als Herausgeberin mitgewirkt habe. Zum ersten Mal erschien eines unserer Bücher und ich hatte absolut keine Ahnung, was mich erwarten würde. Umso mehr habe ich mich gefreut, als ich angefragt wurde, eine Rezension zu diesem Buch zu verfassen.

Vom Titel, Cover und Thema war ich absolut angetan. Mein Herz gehört bekanntermaßen Fantasygeschichten aller Art und die tummeln sich in diesem Werk. Allerdings war ich auch erschlagen, denn mit gut 300 Seiten ist “Compendium Obscuritatis” ein echter Brummer. Eine leise, skeptische Stimme in meinem Kopf fragte sich, ob das nicht vielleicht ein bisschen viel für eine Kurzgeschichtensammlung ist.

Zum Glück schwieg diese Stimme bald. Den Herausgeberinnen S.M Gruber und M.D. Grand ist eine bunte und vor allem abwechslungsreiche Sammlung gelungen. Die verschiedenen Stile und Herangehensweisen der Autor*innen machen die 300 Seiten zu einem schönen Leseerlebnis und erlauben den Lesenden im zweifelsfall auch mal eine Geschichte zu überspringen. Der Gruselanteil überwiegt tatsächlich ein bisschen, was meinen persönlichen Geschmack sehr gut trifft.

Wie bereits in den vorangegangenen Anthologien von Nikas Erben wurde auch hier jeder Geschichte eine Illustration zur Seite gestellt. Wieder einmal hat Esther Wagner es geschafft, zu jedem Text einen entscheidenden Moment zu zeichnen. Ganz gleich, ob gruselig, niedlich oder einfach wunderlich – alle Illustrationen sind einfach wunderschön.

Stärken des Buchs:

Zuallererst sei erwähnt, dass das Wichtigste an einer Kurzgschichtensammlung hier hervorragend gelungen ist: Eine bunte, ausgewogene Mischung. In diesem Fall ging es um Phantasiegestalten. Die gibt es in vielerlei Gestalt und Funktion und das wurde hier gut abgedeckt. Es finden sich niedliche, kinderliebende Monster, die über Träume wachen oder fremde Welten locken. Die gruselige Horrorgeschichte fehlt ebenso wenig wie ein Abenteuer auf See.
Der düstere, teils grausame Anteil der Fantasiegestalten überwiegt bei den Geschichten. Die Covergestaltung weist bereits daraufhin, zudem wurde das Buch mit Inhaltswarnungen ausgestattet.

Was mich am meisten fasziniert hat, sind die leisen Zwischentöne. Geschichten, die zu verschwinden drohen, weil sie leise und abstrakt sind und uns als Lesende fordern, hier jedoch einen Platz gefunden haben.
Den Herausgeberinnen ist es gelungen, eine flüssige lesbare Sammlung zu erstellen, die den jeweiligen Stil der Schreibenden nicht unterdrückt.

Zwar ist es der Ansatz vom Buchensemble einen kurzen Überblick über die Gesamtwerke zu bieten, doch kann ich in diesem Fall dem Buch und seinen Autor*innen nicht gerecht werden, wenn ich nicht einzeln auf einige Geschichten eingehe. Es folgt eine Auswahl der Geschichten, die mich am meisten beeindruckten.

“Heiße Schokolade” von Magret Kindermann hat mich atemlos zurückgelassen und nochmal in die Kinderzimmer schleichen lassen, nur um sicherzugehen, dass beide noch da sind. In “Ektoplasmatische Idylle” von Wolfgang Lamar bieten sich die Protagonistinnen einen epischen Kampf im Ghostbustersformat. Die Geschichte ist atmosphärisch, leicht trashig (im guten Sinne) und bereitet einfach Spaß beim lesen.

“Generationen” von Mathias Thurau ist eine Gänsehautgeschichte, dessen Ende zwar nicht allzu überraschend, aber dennoch beeindruckend war. Sie gehört ebenso zu den leisen Zwischentönen dieser Anthologie wie “Rituelle Reinigung mit Apfelessig” von Vanessa Glau. Zwei eindrucksvolle Geschichten, die eine beklemmendes Gefühl hinterlassen.

Die Geschichten von Katharina Stein und Lily Magdalen sind spannend geschrieben und haben beide das Problem, dass sie Lust auf mehr machen. “Nachtanbruch” und “Muse. Chaos.” sind Kurzgeschichten, die ganze Welten enthalten und bereits verraten, dass es da viel mehr zu erzählen gibt. Gemein ist das!

Während ich bei “Eine Rose im Schnee” von Liv Modes wieder einmal den Schreibstil der Autorin bewundere, beweist Nicole Neubauer in “Definitiv nichts mit Tieren” dass sie ein schweres Thema wundervoll leicht verpacken kann und ihm dennoch gerecht wird.

Meine drei Favoriten sind “Gezeiten” von Julia von Rein-Hrubesch, “Nixenfraß” – Jessica Iser hat mit Piraten, Nixen und einem Fluch einen Nerv bei mir getroffen und alles zu einer perfekt abgestimmten Geschichte verwoben – und “Das hungirge Wasser” von Babsi Schwarz. Stil, Spannung und Ende der Geschichte sind meisterhaft. Leider kann ich jetzt nachts nicht mehr aufs Klo.

Schwächen des Buchs:

Wie bei einer Anthologie mit so vielen verschiedenen Autor*innen zu erwarten, schwankt die “Stärke” der Geschichten merklich. Wie die Auswahl oben bereits zeigt, gelingt es einigen Geschichten mühelos zu beeindrucken, während andere untergehen. Es sind einfach sehr viele Texte mit sehr unterschiedlichen Ausprägungen.

Ein Apsekt dieser schwächeren Geschichten war, dass die beschriebenen Fantasiegestalten so-da-Gestalten waren. Sie waren einfach so da, aber eine richtige, mitreißende Geschichte zu ihnen fehlte.

Mein Fazit zu “Compendium Obscuritatis – Von Musen und Monstern”:

“Compendium Obscuritatis” beinhaltet vermutlich für alle Leser*innen mindestens eine Geschichte. Die bunte, umfangreiche Auswahl ist Stärke und Schwäche zugleich. Beim Lesen stellt sich ein klares Profil heraus, aus dem einige der Geschichten deutlich ausbrechen, die nicht in das vorwiegend düstere Schema passen. Dennoch ist die Zusammenstellung und Auswahl der Geschichten gelungen. Denn auch wenn es nicht alle Geschichten unter meine Favoriten geschafft haben, sind sie lesenwert und letzzlich ist auch das nur eine subjektive Entscheidung.
Die Anthologie bietet auch über einen längeren Zeitraum viele kleine Leseerlebnisse. Es ist die perfekte Lektüre für Zwischendurch und besonders für usselige Herbstabende geeignet. Vorausgesetzt, man war vorher nochmal auf Klo!

Du willst mehr von Wiebke lesen? Hier gelangst du zu ihren Rezensionen.



Compendium Obscuritatis: Von Musen und Monstern

M.D. Grand, S.M. Huber

Fantasy
Softcover, 300 Seiten

erschienen bei BoD – Books on Demand

31. Oktober 2021

ISBN 978-3-755701507

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