Traumhafte Geschichte mit überzeugendem Cover – Emilia und der Junge aus dem Meer

Traumhafte Geschichte mit überzeugendem Cover – Emilia und der Junge aus dem Meer

Emilia ist die Tochter des Leuchtturmwächters und übernimmt die meiste Zeit seine Arbeit. Eines Tages kommt es zu einem schlimmen Unglück, das Lämpchen, so nennen alle Emilia, von ihrem Vater trennt. Sie muss arbeiten, um die Schulden ihres Vaters zu begleichen.

So gerät sie in das Schwarze Haus, in dem sie fortan ihren Dienst verrichten soll. Das Haus ist Düster, seine Bewohner abweisend und außerdem wohnt dort ein Monster. Das erzählen sich die Leute. Auf ihre stille, herzliche Art gewinnt Lämpchen die Bewohner für sich und löst schließlich auch das Geheimnis um das angebliche Monster, dem eigentlich nur mal jemand sagen muss, dass es kein Monster ist. Aber eben auch kein Mensch.

Die ersten drei Dinge, die ich nach dem Lesen getan habe:

  1. Die Autorin gegooglet
  2. Licht aus gemacht
  3. Vom Meer geträumt

Mein Eindruck zu Emilia und der Junge aus dem Meer:

„Emilia und der Junge aus dem Meer“ war mal wieder einer meiner Cover-Käufe. Ich liebe das Meer, ich liebe Leuchttürme, Meerjungfrauen und mag (gute) Geschichten, die davon handeln. Ich hatte also keine Wahl. Der leichte Gruselfaktor, den der Klappentext erwarten ließ, schien mir die perfekte Ergänzung zu den beschriebenen Themen zu sein.
Und meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Die Geschichte beginnt traurig und düster, wandelt sich ins mysteriös-gruselige und taut gemeinsam mit seinen Figuren auf, bis man sie nur noch als herzerwärmend bezeichnen kann.

Stärken des Buchs:

Die Geschichte wird emotional und atmosphärisch erzählt, bedient sich dabei einer gut lesbaren Sprache. Ich fühlte jederzeit mit Lämpchen, der traurigen Protagonistin und hatte das Gefühl, die Welt sehen zu können, in der sie sich bewegt. Alles fühlt sich alt, ein bisschen heruntergekommen und geheimnisvoll an. Kurzum, ich liebe es.

Da ist das einsame Mädchen, das alles für ihren Vater tut, der dem Schmerz und dem Alkohol verfallen ist und viel zu viel von seiner Tochter erwartet. Trotzdem geht Lämpchen mehr als einmal an ihre Grenzen, für ihren Vater, um ihn und ihr Leben zu schützen. Ich habe zu Beginn der Geschichte nicht verstanden, warum die Protagonistin so handelt. Der Autorin ist es gelungen, die Begebenheiten nüchtern, fast gefühllos zu schildern und mich trotzdem zum weinen zu bringen.

Die Protagonistin: Lampje heißt im Deutschen Lämpchen

Lämpchen ist eine absolut liebenswerte Protagonistin, die man einfach nur in den Arm nehmen und beschützen möchte. Nur tut das niemand in Lämpchens Welt. Die einzigen, die es versuchen, trauen sich nicht richtig und letztlich schauen ihr alle nach, seufzen und vergessen sie. Umso mehr hat mich die Entwicklung der Geschichte begeistert. Lämpchen kommt in ein fremdes, gruseliges und unfreundliches Haus und schafft es, allen Anwesenden, ihre besten Seiten zu entlocken.

Die Figuren, die Annet Schaap um Lämpchen herum vorstellt, sind liebevoll gestaltet, passen hervorragend ins Setting und bieten genau das richtige Maß an Geheimnissen, die es braucht. Neben der klassischen gut und böse Einteilung finden sich Figuren, die beides in sich vereinen und dadurch glaubhaft wirken. Ich schätze es sehr, wenn ein Jugendbuch auf plakative gut-böse Kategorien verzichtet. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang der Junge aus dem Meer, um den es eigentlich geht. Er ist das Monster, das alle so fürchten und letztlich doch nur ein verwöhntes, fehlgeleitetes Kind, das dringend jemandem braucht, der ihm zeigt wie und wer er wirklich ist.

Schwächen des Buchs:

Gestört hat mich an der ganzen Geschichte das Verhältnis zwischen Vater und Tochter. Zu Beginn wirkt es noch, als wäre der Vater lästig, beinahe verhasst und das Mädchen versunken in der Trauer um die verstorbene Mutter. Doch kaum eskaliert die Situation im Leuchtturm und (Achtung Spoiler) der Vater schlägt die Tochter, wird für seine Versäumnisse zur Rechenschaft gezogen – da vermisst das Mädchen den Vater augenblicklich.

Beziehungsweise zunächst scheint es noch, als vermisse sie vor allem den Leuchtturm und die gewohnte Umgebung. Zunehmend kristallisiert sich jedoch heraus, dass sie auch den Vater vermisst und sich ernsthaft um ihn sorgt. Ich frage mich da ernsthaft: Warum? Er hat sie seit dem Tod der Mutter mehr oder weniger vernachlässigt, Lämpchen musste sämtliche Aufgaben am Leuchtturm übernehmen und wird zu guter Letz mit einem Stock (!) ins Gesicht (!) geschlagen.

Schwächen am Ende?

Am Ende vergibt sie dem Vater alles, erfährt einiges über ihn und seine Vergangenheit und alle sind glücklich. Ich weiß, es ist ein Jugendbuch und ich weiß, dass ein Ende wie ich es für passend empfunden hätte, nicht jugendfrei wäre. (Zugegeben, da musste ich mich auch erst dran erinnern.) Aber mir war es dann doch einfach zu rosig in Anbetracht der Vorgeschichte.

Das beinhaltet im Grunde meinen zweiten Kritikpunkt: Das flauschige Ende. Die Story ist wunderbar düster, gruselig und geheimnisvoll und eigentlich sind alle Menschen total egoistisch und schlecht-  und dann liegen sich alle erleichtert in den Armen. Das war mir dann selbst für ein Jugendbuch zu glücklich. Zumal mir die Geschichte an einigen Stellen schon zu grausam war, um sie zehn bis zwölfjährigen zu empfehlen.

Mein Fazit zu Emilia und der Junge aus dem Meer:

„Emilia und der der Junge aus dem Meer“ ist definitiv meine Lesehighlight des Jahres 2019. Es ist ein träumerisch-düsteres Buch, das eine teilweise sehr traurige Geschichte feinfühlig erzählt. Ich habe geweint, viel geweint, gelacht und bin begeistert in die meisterhaft beschriebene Atmosphäre eingetaucht. Annet Schaap führt in dieser fantastischen Geschichte Menschen von ihren schlimmsten bis hin zu ihren besten Seiten vor. Das Buch tut an den richtigen Stellen weh und lädt gleichzeitig zum träumen vom Meer, Küstenstädten, Leuchttürmen, Meerjungen und Piraten ein.

Du willst mehr Rezensionen von Wiebke lesen? Hier gelangst du zu ihrer Rezensionsseite!



Emilia und der Junge aus dem Meer

Annet Schaap

Jugendbuch Fantasy
Hardcover, 400 Seiten

erschienen bei Thienemann-Esslinger

11. Februar 2019

ISBN 978-3-596296590

Jetzt für 15,00 € kaufen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert