Zurück bleibt die Leere des verblassten Idealismus – Namenlos [Rezension]
Frankfurt am Main. Es ist kalt. Sie lernt ihn kennen. Er interessiert sich für sie. Sie sprechen über Literatur, ihr Leben. Die tiefsten Gedanke und schönsten Momente teilen sie. Doch eines verraten sie sich nicht: Ihre Namen. Die Frankfurter Novelle „Namenlos“ von Nika Sachs beschreibt zwei Menschen, die sich „rückwärts“ kennenlernen.
Die ersten drei Dinge, die ich nach dem Lesen getan habe:
- Die Rezension verfasst
- Mit der Autorin gesprochen
- Erfahren, dass Nika Sachs meine Rezension ausgedruckt und aufgehängt hat
Mein Eindruck zu Namenlos:
Namenlos* ist eine Novelle im Hardcovereinband und dabei recht dünn. Auf Seite 89 ist die Novelle vorbei. Zunächst denkt man, für 15,99 € sei das ein recht teures Buch, aber bedenken wir, dass Hardcover enorm hochwertig sind und es auf den Inhalt ankommt. Und beim Inhalt wird man umgehauen: Durch die intensive Sprache der wortakrobatischen Autorin haben diese kleinen 89 Seiten gefühlt mindestens so viel Inhalt wie ein 300-Seiten-Roman.
Die Namenlosigkeit lässt das Leseerlebnis zunächst im ersten Kapitel etwas holprig erscheinen. Man hat kein Bild von den Menschen im Kopf, wenig Vorurteile. Und die Vorurteile sind doch das, was uns in ein gutes Buch so schnell hineingleiten lässt. Wir sind sofort Teil der Geschichte, weil wir uns Bilder machen. Das gönnt uns die Autorin nicht. Zugegeben, ich hätte es sogar noch schöner gefunden, wenn Miriam nicht Miriam heißen würde, aber die Anfangsholprigkeit und der besondere Kern der Geschichte erreichten mich schon beim ersten Wort.
So richtig in den Lesefluss bin ich erst im zweiten Kapitel gekommen. Und dann das dritte Kapitel! Spätestens ab da war ich Feuer und Flamme für die Geschichte.
Stärken des Buchs:
A propos Feuer und Flamme, da empfehle ich jedem (einschließlich der Autorin), Seite 24 als universelle Leseprobe herauszugeben. Ich bin verliebt in Seite 24. Klingt komisch, ist aber so. Hier zeigt sich, wie talentiert die Autorin mit den Worten spielt und mit ihrer Melancholie und Aussagedichte womöglich alle anderen Autoren (auch die mit Verlag) in den Schatten stellt. Ich spreche hier von einem Meisterwerk der Schriftstellerei; von allerhöchster Kunst. Seite 24 rausreißen und in einem Museum an die Wand tackern – würde ich machen, wenn ich es über’s Herz bringen könnte, Büchern wehzutun.
Wer also wissen will, warum Ornitologen „die Freiheit, die Fähigkeit von der Welt abzuheben“ analysieren, wie es ist, „eine Masche enger im Fischernetz der kreativen Abhängigkeit“ zu geraten oder über den emotionalen Bildungsstand zweier Personen schmunzeln will, ist hiermit aufgerufen, sich dieses klasse Buch zu kaufen.
Der Handlungsstrang ist interessant und schlüssig. Ich habe mich bemühen müssen, langsam und aufmerksam zu lesen, um „Namenlos“ von Nika Sachs nicht in einem Zug zu inhalieren. Dieses Buch ist wie Mousse au Chocolat: Dazu da, in langsamer Geschwindigkeit auf der Zunge zu zergehen.
Die Schwäche des Buchs:
Der Fairness halber muss ich natürlich auch auf die negativen Kleinigkeiten eingehen: Zwischen den großen, imposanten Wörtern wird man oft mit „fragen, sagen, antworten“ abgekühlt.
Wie schlimm das ist, seht ihr an meiner Bewertung mit fünf Sternen, denn es stört nur den Spießer in mir, nicht die begeisterte Leseratte.
Dank ist im Miteinander niemals neutral, und so danke ich, die Leserin, der Autorin für dieses Kunstwerk und dass es diese Novelle gibt. Sie ist ungewöhnlich und die zahlreichen Interpretationsebenen haben mich so sehr beeindruckt, dass ich das Buch an Weihnachten noch einmal gelesen habe.
Mein Fazit:
Inzwischen habe ich „Namenlos* von Nika Sachs ein zweites Mal gelesen und wurde für ein Korrektorat bezahlt. Nun ist absolut nichts mehr auszusetzen. Auch vorher hat diese Perle der Selfpublisher-Literatur fünf Herzchen von mir verdient. Die Stimmung, die das Buch transportiert, ist einfach nur wunderbar. Ich bin verliebt.
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Namenlos: Eine Frankfurter Novelle
Nika Sachs
erschienen bei Books on Demand
2016
Kia liest. Nicht nur Sachbücher zur persönlichen Entwicklung und Schreibratgeber, sondern auch Entwicklungsromane, nerdige Science Fiction und alles, was zwischen Utopie und Dystopie ein bisschen Drama angereichert hat. Beim Buchensemble gibt sie hin und wieder Einblicke in ihre Reiseberichte, die sie beim Durchqueren spannender Welten anfertigt.