In die geheimnisvolle Unterwasserwelt abtauchen – Rendezvous mit einem Oktopus [Rezension]
Die Naturforscherin Sy Montgomery erzählt von ihren Begegnungen mit Oktopoden in einem Bostoner Aquarium. Dabei geht sie spannenden Fragen auf den Grund, etwa ob Kraken ein Bewusstsein haben. Montgomery hat ein unglaubliches Wissen, auch über andere Meerestiere. Sie berichtet von tollen Erlebnissen innerhalb ihrer Forschungen, aber auch von Experimenten und Studien. Sie scheut nicht davor, extra tauchen zu lernen, um ihrem Lieblingstier auch in der freien Natur begegnen zu können.
Die ersten drei Dinge, die ich nach dem Lesen getan habe:
- Gelächelt.
- Versucht, aufzuzählen, was ich alles über Oktopoden gelernt habe – und gescheitert.
- Das Buch froh zugeklappt, denn langsam hatte ich genug.
Mein Eindruck zu Rendezvous mit einem Oktopus:
Vorab: Ich bin ein riesiger Oktopus-Fan. Wenn jemand das Wort „Dokumentation“ sagt, sprudelt aus mir heraus: „Meine Lieblingsdoku ist über Oktopoden, meine Lieblingsstelle ist, wenn der kleine Baby-Oktopus schlüpft, und wusstest du, dass …?“ So schnell, dass für keine richtigen Satzzeichen Zeit ist. Meine Rezension ist also mehr als gefärbt. Meinen Hunger konnte Sy Montgomery mehr als stillen, die erste Hälfte des Buches habe ich verschlungen! Dann war leider die Luft raus und mir fielen verstärkt die Schwächen der Erzählung auf.
Stärken des Buchs:
Das Thema ist dankbar, denn Oktopoden sind toll (ach nee). Sie sind geheimnisvoll, unfassbar intelligent, wunderschön, seltsam und sogar witzig (Ich bin verliebt). Montgomery schafft es hervorragend, diese Atmosphäre rüberzubringen. Sie beschreibt, wie sie ihren ersten Oktopus kennenlernt, Athena. Diese befühlt sie neugierig, dabei wird beschrieben, dass diese Tiere mit ihren Armen Gefühle schmecken können. Wer lässt da nicht das Buch sinken und denkt: „Wahnsinn!“
Mein Wissensdurst über das Meer und insbesondere die Kraken ist unermesslich. Gerade zu Beginn vermittelte mir die Autorin viele interessante Studien und Theorien. Am Interessantesten fand ich die Experimente, in denen gezeigt wird, wie viel intelligenter Spieltrieb, aber auch individuelle Persönlichkeit in jedem Oktopus steckt. Dazu kam, dass sie auch Tolles über andere Tiere erzählte. Zum Beispiel von einem Experiment, das nachwies, dass Zitteraale träumen. Dazu haben die Forscher die elektrischen Messungen beim Schlafen mit denen des Tages verglichen und festgestellt, dass sich die Muster wiederholen. Der Zitteraal erlebt also Geschehenes wiederholt im Traum, um es zu verarbeiten.
Neben der Autorin lernen wir auch die sonstigen Mitarbeiter und Freiwilligen des Aquariums kennen. Dabei gibt es unter anderem eine, die eine Methode entwickelte, wie man Anakondas ohne Gewalt hält. Tatsächlich war diese junge Frau tagtäglich in der „Schlangengrube“ und streichelte die gigantischen Schlangen. Sie wurde von den Reptilien wiedererkannt, geschmust und geliebt.
Schwächen des Buchs:
Ich denke, ihr merkt, wie vernarrt ich in die genoppten Kraken bin. Trotzdem kam ich nicht mit, wenn die Autorin zum hundertsten Mal heulte, die Tiere mit Geschenken des Himmels verglich oder immer wieder und wieder und wieder über Zeilen hinweg beschrieb, welche Farbwechsel denn gerade wie vollzogen werden. Das war nach einigen Malen mehr als anstrengend.
Ins Bostoner Aquarium kommen in der Zeit vier oder fünf Oktopoden. Die Angaben, wie groß die sind, sind verwirrend. Meistens versucht sie es mit Obst. Als wäre jede Orange und jede Melone gleich groß. Dazu weiß ich nie, wie viel Zeit vergeht. Plötzlich stirbt ein Oktopus und ich dachte, er sei eben erst als junges Tier angekommen. Irgendwann habe ich es aufgegeben, das Ganze zeitlich zu verstehen. Schade. Die vielen verschiedenen Menschen machen das Chaos perfekt. Die haben auch alle ihre persönlichen hochdramatischen Geschichten, die immer mal wieder wiederholt oder erweitert werden. Über die Autorin selbst erfährt man leider nicht viel. Mir fehlen vor allem Erzählungen, wie sie Tierforscherin wurde und was sie bisher alles erlebt hat. Im Grunde weiß ich nur, dass sie einen Mann hat, mehrere Stunden von Boston entfernt wohnt und um die 50 ist. Und viel rumheult. Zusammengefasst wünschte ich mir weniger Sentimentalität und mehr Struktur.
Mein Fazit:
Ab der Hälfte wurde mir Rendezvous mit einem Oktopus* zu anstrengend und ich musste mich etwas zum Lesen zwingen. Allerdings gibt es fast am Ende noch eine Szene, in der Sex zwischen Männchen und Weibchen beobachtet wird. Sehr interessant! Das machte wieder wach. Insgesamt hat mich das Buch trotzdem begeistert. Eine gekürzte Version würde von mir fünf Sterne kriegen. So muss ich leider sagen: Ich empfehle es allen, die ein wenig mehr Durchhaltevermögen haben.
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Rendezvous mit einem Oktopus
Sy Montgomery
erschienen bei Mare Verlag
29. August 2017
Magret liest nie, ohne dabei zu schimpfen. Am wenigsten mag sie wiedergekäute Ideen, leere Worthülsen oder Floskeln. Dafür steht sie auf Experimente, selbst wenn sie schiefgehen. Die Figuren sind ihr wichtiger als der Plot. Daher liest sie vor allem Entwicklungsromane, klassische und welche der Gegenwartsliteratur.