Let’s Nerd – Ready Player One [Rezension]

Let’s Nerd – Ready Player One [Rezension]

In Ready Player One* begleiten wir Wade in einer Welt, die nach außen hin dystopisch ist. Es gibt Hunger und Elend, Überbevölkerung und Wirtschaftskonzerne, die Schuldner zur Zwangsarbeit rekrutieren dürfen. Aber davon bekommt man nicht viel mit, denn Ready Player One dreht sich um die OASIS. Eine virtuelle Welt, die Milliarden von Spielern ermöglicht, ein Online-Leben zu führen. Arbeiten, Leben, Dating und der High School Unterricht können in der digitalen Welt stattfinden, und mit Videobrillen und haptischen Anzügen wird die OASIS zur gedachten Realität.

Wade O. Watts ist ein High School Student, der in den Stacks lebt, einer Wohnwagensiedlung, die aus nach oben gestapelten Wohnwagen besteht, damit die armen Leute, die dort leben, irgendwie unterkommen können. Er geht auf dem virtuellen Planeten Ludus zur Schule und verbringt nach und vor dem Unterricht jede freie Minute, sich mit den 80ern auseinanderzusetzen. Halliday, einer der beiden OASIS-Erfinder und Gründer von GSS, das Unternehmen, das die OASIS entwickelt hat, ist nämlich verstorben und hat sein gesamtes Erbe demjenigen versprochen, der sein Easter Egg findet.

Diejenigen, die nach dem Easter Egg suchen, werden Jäger genannt, und Wade ist mit seinem Avatar Parzival einer derer, die für sich alleine nach dem Easter Egg suchen. Daneben gibt es noch Clans und die Firma IOI, die den Wettbewerb über Jahre hinweg spannend machen. IOI ist hier der klare Antagonist: Wenn sie das Easter Egg finden, … im Ernst, sie sollten es nicht finden. Was als Suche nach einem Easter Egg und Reichtum beginnt, entwickelt sich schnell zu einer atemberaubenden Geschichte, die den Leser immer wieder hin und her wirft und in regelmäßigen Abständen mit 80er- und Videospielinformationen versorgt.

 

Die ersten drei Dinge, die ich nach dem Lesen getan habe:

  1. Einen Laut von mir geben. Keine Ahnung, wie genau der war und was der sollte, aber es war mir ein Bedürfnis, geräuschvoll auszuatmen.
  2. „Das Ende von Ready Player One ist befriedigend und nicht“ als WhatsApp an besagten guten Freund geschickt
  3. Armada von Ernest Cline in der Buchhandlung meines Vertrauens reservieren lassen

 

Mein Eindruck zu Ready Player One:

Ich bin total angefixt.

Durch Ready Player One von Ernest Cline habe ich meine nerdige Seite (wieder-) entdeckt. Immer, wenn rauskam, was sich Halliday für den nächsten Schritt ausgedacht hatte, war ich Feuer und Flamme, musste grinsen über die Genialität und die ganzen Easter Eggs, die ich entdeckt habe. Denn neben der Suche nach dem Easter Egg, um das sich der Roman aus dem Hause Fischer Tor dreht, befinden sich im Text selbst ständig kleine Easter Eggs, die zum Schmunzeln anregen.

Art3mis, Aech und Parzival sind höchst interessante Charaktere und wirken authentisch und real, obwohl man sie nur als Avatare, also selbst designten Computerspielfiguren kennenlernt, die unter falscher Identität und mit Stimmverzerrung agieren können. Ich empfehle dieses Buch jedem, dessen Herz ein bisschen nerdig ist. Für mich war Ready Player One der Einstieg in ein neues Genre. Ein guter Freund hat es mir empfohlen und ausgeliehen, und ich hätte nicht gedacht, dass ich die 540 Seiten innerhalb von vierzehn Tagen lesen würde. Die teilweisen Cliffhanger an den Enden der Kapitel sind meines Erachtens perfekt gewählt.

Es gibt, bis auf beim Show-Down am Ende, keine quälend spannenden Stellen, sondern immer wieder Szenen und Kapitel zum Durchatmen, trotzdem will man durchgehend wissen, wie es weitergeht.

 

Stärken des Buchs:

Klare Stärken sind der Schreibstil und – ich finde, heutzutage muss man sowas auch mal lobend erwähnen – die Übersetz- und Korrekturarbeit von Fischer Tor. Durch die Übersetzung ins Deutsche ging nichts verloren, jedenfalls nicht so, dass ich es negativ bemerkt hätte. Die Orthografie ist einwandfrei, nur auf den letzten 150 Seiten schlichen sich immer mal Kommafehler und solche, die ich optional anders gesetzt hatte, ein. In wem ein bisschen Grammarnazi steckt, der solle doch bitte auf das Wort „nachdem“ achten. Vor diesem Wort gibt es nämlich kein Komma. Nie. Never ever. Auch wenn damit ein Nebensatzkonstrukt eingeleitet wird, bei dem ein jeder das Komma sogar in der gesprochenen Sprache hören würde.

Weiterhin stark finde ich das große Ganze. Der Mix aus Innen- und Außenansicht des Protagonisten ist sinnvoll gewählt; aus der Ich-Erzählperspektive habe ich schon Romane erlebt, in denen es zu viel ums Innenleben geht. Der Sprachstil ist einheitlich und rundet das ganze Buch ab.

Sämtliche Handlungsstränge (bis auf einer) werden zu Ende erzählt und gehen ineinander auf. Mir gefällt der lineare, chronologische Erzählstil, der trotz personaler Erzählperspektive manchmal doch ein bisschen allwissend ist, und ich fühlte mich sehr in das Buch gesogen.

Große Klasse ist auch – für mich als Autorin – die Einteilung des Romans in drei Level. Hier wird einem die 3-Akt-Struktur offengelegt. Irgendwie charmant.

Buchcover von Ready Player One, Foto: Kia Kahawa
Ready Player One, Foto: Kia Kahawa

Schwächen des Buchs:

Kommen wir zu den Schwächen von Ready Player One.

Kurz vor „Level 3“ geschieht etwas unfassbar Geniales im Plot, und dann flacht die Geschichte so sehr ab und zerfasert, dass das Buch schon fast schlecht wird. Über zwanzig Seiten habe ich mich gefragt, was der Autor da macht und was das soll, und ich glaube, dieser Abschnitt war dann auch nicht mehr wichtig, aber mit dem Auftakt von Level 3 hat das Buch das alles wieder wettgemacht.

Der Handlungsstrang, beziehungsweise das Rätsel, das nicht zu Ende geführt wird, ließ mich die Nachricht an meinen Freund schicken. Das Ende ist befriedigend und nicht. Es ist einerseits abgeschlossen, andererseits offen, und irgendwie könnte ein zweiter Teil folgen, aber man wünscht es sich nicht. Denn die Geschichte spinnt im Kopf des Lesers weiter, und wenn man etwas genauer nachdenkt, verändert sich das Gefühl der wohlig warmen Auflösung der Geschichte in ein Erschüttern, wenn man den dystopischen Charakter wieder hervorholt.

Darüber hinaus gibt es etwa drei oder vier Kapitel, die aus reinem Infodump bestehen. Man muss schon sehr von der Spannung der vorherigen Kapitel angezogen worden sein, oder vollkommen in den kleinsten Details der 80er aufgehen und sich damit identifizieren können, um über diese Infodumps hinwegzusehen und sie dennoch konzentriert zu lesen.

Mein Fazit zu Ready Player One:

Bis auf ein paar kleine Schwächen, über die ich hinwegsehen möchte, liebe ich dieses Buch abgöttisch. Ich habe gerade beim Schreiben der Rezension den Impuls, es noch einmal zu lesen, um noch mehr zu entdecken. Als 90er-Kind habe ich sicher nicht alles verstanden und entdeckt, was jemand, der in den 80ern schon gelebt hat, heute in Ernest Clines Meisterwerk finden würde. Dennoch freue ich mich enorm darauf, am 5. April ins Kino zu gehen und mir die Verfilmung von Ready Player One* anzusehen.

Der Autor hat mir ein neues Genre geöffnet, bei welchem ich kaum erwarten kann, mir weitere Geschichten einzuverleiben. Eine klare Kaufempfehlung für alle Nerds und Easter Egg Jäger da draußen!

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Ready Player One

Ernest Cline

Science Fiction Dystopie
Softcover, 448 Seiten

erschienen bei Fischer TOR

27. April 2017

ISBN 978-3-596296590
9,99 € bei Amazon*

 

One Reply to “Let’s Nerd – Ready Player One [Rezension]”

  1. WOW eine der besten Rezensionen die ich je las. Aber warum hat die rezensierende Dame kein foto von sich auf der Site? Mit so einem Formulierungstalent muss man sich keineswegs verstecken.

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