Ein sehr schlechter Vater wird ein bisschen besser – Pandatage

Ein sehr schlechter Vater wird ein bisschen besser – Pandatage

Pandatage ist ein Buch, das die Geschichte eines unfähigen alleinerziehenden Vaters und seinem seit dem Tod der Mutter stummen Sohnes erzählt. Um die Miete zahlen zu können, nimmt der Vater einen Job als tanzender Panda im Künstler-Park an und kann dann plötzlich mit seinem stummen Sohn sprechen, indem der Panda nichts sagt und der Vater dem Kind endlich mal zuhört.

Die ersten drei Dinge, die ich nach dem Lesen getan habe:

  1. Mich aufgeregt
  2. Überlegt, wie so ein Buch zum Verlag kommt
  3. Aufgebracht überlegt, wie man eine so schöne Idee so verhunzen kann

Mein Eindruck zu Pandatage:

Pandatage ist kein gutes Buch. Man sollte es nicht lesen. Es hat eine nette Grundidee und einige tolle Szenen, aber die Darstellung von … ja, von allem … ist einfach nur problematisch. Stell dir vor, du hast eine englische Version eines Til-Schweiger-Films mit Til Schweiger in der Rolle des Danny (Panda-Vater). Ich glaube, so in etwa kommt eine Beschreibung hin.

Stärken des Buchs:

Kommen wir zunächst zu den Stärken von Pandatage. Die Szene mit Ivan und dem „Hai“ ist wirklich sehr gut geschrieben und ausgeschmückt. Sie hat zwar einen unrealistischen Ausgang und ist, gemessen an allen anderen Entwicklungsromanen, die ich bisher gelesen habe, eher flach. Aber amüsant und unterhaltsam ist diese Szene. Toll!

Außerdem stark sit die Grundidee. Sie hätte echt eine richtig gute Idee sein können, wenn sie nicht durch die Mainstream-Kassenschlager-Standard-Plot-Maschine geschwurbelt worden wäre.

Außerdem finde ich, dass Tim, Ivan und Mo tolle Charaktere sind. Ihnen fehlt es zwar an der gewissen Tiefe, aber sie sind die sicheren Felse in der Brandung dieses eher enttäuschenden Buches.

Ivan ist mir irgendwie sympathisch. Will irgendwie verständlich. Das Kind spricht nicht mehr seit dem Tod der Mutter, und der Vater Danny hat auch gar kein Interesse, mit seinem Kind zu reden, ihm zuzuhören oder es zur Therapie zu schicken. Will tut mir leid.

Mo (Mohammed) ist der beste Freund von Will und ist ein typischer Highschool-Film-Klischee-Kumpel. Kein Charakter, dafür aber Loyalität, kleine Freundschaftsdienste er hat Spezialwissen in einigen Bereichen. Es ist gut, dass es so einen Menschen in Wills Leben gibt, allerdings muss ich sagen, dass Mo nur Mittel zum Zweck ist und kein eigenes Leben hat.

Last but not least: Pandatage ist angenehm geschrieben. Irgendwie wollte ich schon wissen, wie es weitergeht, obwohl ich ab ca. Seite 230 wusste, worauf diese Rezension hinausläuft und ab etwa Seite 180 schon war die Geschichte von Pandatage vollkommen voraussehbar. Das Buch konnte mich leider am Ende doch nicht mehr überraschen.

Schwächen des Buchs:

Die ersten Seiten sind nur langweiliger Infodump ohne Handlung. Das erste Viertel des Buches ist quasi nur eine langgezogene Variante des Klappentextes, was die Leserin alles schon weiß, was aber in Form von Tell, don’t Show erzählt wird. Es wirkt wie ein krampfhafter Versucht, den Charakteren in der eigentlichen Geschichte so doch noch etwas Tiefe und Hintergrund zu verleihen, aber der Versuch ist meiner Meinung nach definitiv missglückt. Schon beim Vermieter, der extrem ekelhaft und grundloser Weise ein scheiß Mensch ist (Antagonist, weil böse Menschen böse sind, um böses zu tun), habe ich den Verdacht gehabt: In Pandatage gibt es nur flache Charaktere.

Dann kam Crystal und bestätigte meinen Verdacht: Ja, in Pandatage gibt es fast ausschließlich flache Charaktere. Sobald eine Figutr so weit entwickelt ist, dass sie ein Klischee erfüllt, reicht es als Persönlichkeit bei James Gould-Bourn. Das heißt für Crystal, dass sie eine kaugummifressende, mit bunten Plastik-Fingernägeln beklebte, oberflächliche, geschminkte, arrogante, zickige Tussi ist, die aber leider gut tanzen kann und deswegen die einzige Option für Danny ist, tanzen zu lernen und somit seine Miete zu zahlen.

Natürlich haben Männer einen etwas weniger billigen Charakter und verschiedene Rollen in Pandatage. Frauen gibt es nicht: Nur die gütige (tote) Mutter und die zur Hälfte aus Plastik bestehende, eben bereits beschriebene Zicke Crystal. Damit ist das Kontigent der Frauen schon erschöpft, und alle weiteren Personen, ob sie Macht haben, ob sie unterstützend sind, bösartig, talentiert, konkurrierend oder interessant, das sind natürlich zu 100 % Männer. Danke für diese tolle Repräsentation, lieber Autor (nicht).

Eine weitere Schwäche von Pandatage ist, dass das Thema Trauer ohne Gefühle dargestellt wird. Oder: Es wird gar nicht dargestellt, es wird einfach nur oberflächlich mal erwähnt. Es gibt kein Hinterfragen, keine Trauer selbst. Einfach nur stumpfe Beschreibungen der Vergangenheit, völlig austauschbar mit beliebigen Themen.

Danny aus Pandatage ist ein schlimmer Mensch

Ach so, habe ich schon erwähnt, dass Danny genau 2 Wochen nach einer neuen Arbeitsstelle gesucht hat und dann die einzige Lösung für ihn war, als Panda verkleidet im Park für ein paar Pennys zu tanzen? Danny ist nicht nur ein verantwortungsloser und schlechter Vater, sondern auch ein dämlicher Typ.

Seine tote Frau Liz konnte gut tanzen, Danny hat nie mitgetanzt und auch nie Dirty Dancing mit seiner Frau geschaut (er hatte wohl vor ihrem Tod auch kein Interesse an ihr). Jetzt muss er als Panda tanzen lernen, da er nach zwei Wochen Stellensuche natürlich ganz sicher weiß: Er bekommt niemals eine Stelle. Weiß ja jeder: Zwei Wochen erfolglos nach Arbeit suchen? Du MUSST Straßenkünstler werden, dir eine gefälschte Lizenz holen und Steuern hinterziehen. Wer zwei Wochen arbeitslos ist, ist automatisch für immer und ewig vom ersten Arbeitsmarkt runter. Klar!

Danny ist ein absoluter Nichtsnutz. irgendwie an manchen Stellen des Buches sympathisch, wenn auch fraglich, was der Mann in seiner Freizeit macht. Er ist eine leere, blasse Hülle eines Protagonisten, er hat keine Hobbies, keine Talente und keine richtigen Freunde. Er hatte nie Interesse an seiner Frau gehabt und auch nicht an seinem Sohn. Er ist nämlich kein alleinerziehender Vater, sondern ein allein mit seinem Sohn im selben Haus wohnender Vater.

Männer können nicht kochen

Er versucht an einer Stelle im Buch Pandatage, nach Rezept von Jamie Oliver Pfannkuchen zu machen. Dafür braucht er bis 2 Uhr nachts, um einen (!!) Pfannkuchen zu machen, hat dann nach der anstrengenden Erfahrung blaue Flecken und Verbrennungen und etliche Pfannkuchen-Versuche verbrannt oder roh vergeigt. Also entweder zeigt das, wie strunzendämlich Danny ist, dann hätte ich mir aber gewünscht, dass der Autor daraus eine Komödie macht und nicht dieses pseudo-lustige, leider ernst gemeinte Entwickeln von einem schlechten Vater zu einem guten Vater (Hey, er macht nach 10 Jahren zum allerersten Mal etwas zu Essen für sein Kind, Applaus, Applaus!).

Ich weiß nicht, wen der Autor mit dieser entsetzlichen Szene beeindrucken wollte. Ich dachte, heutzutage gibt es in großen Verlagshäusern Leute, die auf Klischees und Sexismus achten und so ein erbärmlich übertrieben schlechtes Verhalten eines Protagonisten im Lektorat bemerken … Aber na ja.

Väter sind schlechte Eltern

Dass Danny ein schlechter Vater ist, habe ich bereits erwähnt. Hier eine Szene, warum ich darber empört bin. Er Typ interessiert sich null für das Kind. Erst im Gespräch ein Jahr(!!) nach Liz‘ Tod erzählt Will dem im Pandakostüm steckenden Vater, dass er nicht redet, weil seine Mutter gestorben ist. Das ist dann im Buch die große Erkenntnis. Wahnsinn! Wow! Darauf ist der Vater natürlich NIE gekommen, wie sollte er schon darauf kommen, dass das Kind nicht spricht, weil es um den Tod der Mutter trauert, wenn das Kind seit dem Tod der Mutter nicht mehr spricht?

Wie kann man einen Mann so sehr in das Klischee des nicht an der Familie interessierten, unfähigen und inkompetenten Vaters drücken, ohne sich damit auseinander zu setzen? Danny hat wirklich alles, was männerfeindlich ist.

Mein Fazit zu Pandatage:

Beim Lesen fragte ich mich überraschend häufig: „Na und?“ und nicht „wie geht es weiter?“, denn wie es weiter ging, wusste ich. Pandatage ist ein typischer nach Schema F billig produzierter Spielfilm in Form eines Buches. Es gibt das Film-Plot-Klischee: Crystal ist unsympathisch und hässlich, wird später Dannys Flamme. Der Zauber-Straßenkünstler im Park wird sein Mantel durch Danny geklaut, denn so kann er Crystal beeindrucken, wow, Mutprobe, welche Frau steht nicht auf kriminelle Typen. Natürlich wird der Zauberer später zum Antagonisten. Und dann gibt es einen groooooßen Wettbewerb, den Danny gewinnen muss, denn ohne Preisgeld werden er und sein Sohn obdachlos. Wie kurzsichtig denkt der Typ bitte?!? Sein Leben dauert länger als zwei Monate.

Nach 222 Seiten gibts im Grunde die erst Vater-Sohn-Interaktion. In einem Buch, das angeblich über einen Alleinerziehenden Vater und seinen stummen Sohn geht. Ich habe alles gesagt, was es zu sagen gibt.

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Pandatage

James Gould-Bourn

Entwicklungsroman
Hardcover, 384 Seiten

erschienen bei Kiepenheuer & Witsch

02. Mai 2020

ISBN 978-3-462053647

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