Die sympathischste Crew des Universums – Der lange Weg zu einem kleinen, zornigen Planeten [Rezension]
Rosemary kommt vom Mars auf die Wayfarer – ein abgewracktes, aber zweckmäßig funktionierendes Schiff. Unter Captain Ashby arbeiten dort nicht nur Menschen, sondern Angehörige unterschiedlicher Spezies, um mit dem Tunnlerschiff Wurmlöcher in den Raum zu stoßen. Rosemary arbeitet als Verwaltungsassistentin und durch die Einstellung einer solchen qualifiziert Ashby sich und seine Crew dazu, einen großen Auftrag anzunehmen. Eine lange Reise beginnt, und zwar der lange Weg zu einem kleinen, zornigen Planeten.
Die ersten drei Dinge, die ich nach dem Lesen getan habe:
- Ich habe gelächelt
- Das Bild von Sissix ging nicht aus meinem Kopf raus
- Ich habe Florian, der gerade „Zwischen zwei Sternen“ las, gefragt, ob Lovey darin vorkommt.
Mein Eindruck zu Der lange Weg zu einem zornigen Planeten:
Dieser Roman von Becky Chambers ist gut zu lesen und die perfekte Methode, mich als Weltraum-Muffel an Science Fiction mit Raumschiffen heranzuführen. Ich kann interplanetarische Kriege nicht leiden, halte Star Wars, Star Trek und ähnliches für affig und redundant, und mit Aliens braucht man mir gar nicht erst kommen. In „Der lange Weg zu einem zornigen Planeten* geht es zwar um Raumschiffe und Aliens, aber auf eine sehr sympathische Weise. Die Crew auf dem Tunnlerschiff macht nur ihren Job, und Kriege geschehen irgendwo in der Ferne – damit haben die Leute an Bord der Wayfarer nichts zu tun. Becky Chambers hat mir gezeigt, dass Science Ficiton mit Raumschiffen unfassbar sympathisch und spaßig sein kann und ich bin sehr, sehr dankbar, dieses Buch zum Geburtstag im letzten Dezember geschenkt bekommen zu haben.
Stärken des Buchs:
Die größte Stärke von „Der lange Weg zu einem zornigen Planeten“ ist definitiv die Crew. Dr. Koch ist das sympathischste Wesen, das ich jemals getroffen habe, und auch die Charaktere von Ashby, Corbin, Sissix, Rosemary, Lovey, Jenks und Kizzy sind äußerst schlüssig. Jeder hat so seine Eigenheiten, ohne dass man das Gefühl hat, die Figuren würden nur existieren, damit sie irgendeine Rolle erfüllen oder damit Becky Chambers konträre Charaktere einbauen könnte. Die gesamte Crew ist lustig, schlüssig und sympathisch. Auch die Beziehungen untereinander werden mit liebevollen Details und durch herausragende Dialoge unterstrichen, so dass sie alle noch lebendiger wirken.
Geheimnisse und Beziehungen
Eine weitere Stärke ist, wie die Autorin das Geheimnis um Rosemary anreißt. Es wird hervorragend angedeutet und kaum vergisst man es beim Lesen, kommt eine weitere Schlinge, die den Leser an den Plot erinnert.
Informationen über beispielsweise die KI als vernunftbegabtes Individuum oder das Sianatpaar mit seinem Flüsterer und der schwierigen Kultur hinsichtlich einer alles entscheidenden Frage in der Gestaltung des Sianat-Lebens werden an den richtigen Stellen eingeworfen. Ich habe zu jedem Zeitpunkt das Gefühl gehabt, dass Infodumps und Beschreibungen relevant waren. Eine klare Stärke: Das Buch lässt sich flüssig lesen und ist „rund“.
Unter’m Strich macht es einfach Spaß – richtigen Spaß –, dieses Buch zu lesen. Ich habe es sehr genossen und möchte noch einmal betonen, dass die Figuren und Beziehungen so dermaßen gut sind, dass die doch zahlreichen Schwächen, die ich im Folgenden dieser Rezension aufzählen werde, diese Stärke nicht aufwiegen können.
Eine neutrale Information:
Etwa gegen Seite 109 wird in einem gefühlt ewigen Dialog erklärt, wie Wurmlöcher funktionieren. Ich halte diese Erklärung für ziemlich schwierig formuliert und weiß nicht, ob ich den Text verstanden hätte, wenn ich nicht vorher schon gewusst hätte, was die Autorin an dieser Stelle sagen wollte. Wer nicht zufällig ohnehin nerdiger Fan von Astronomie ist, könnte ein paar Schwierigkeiten bekommen.
Schwächen des Buchs:
Es braucht ein wenig, bis man ins Buch reinkommt. Erst ab etwa 30 – 60 Seiten kam ich in die Welt hinein, was bei einer solch anderen Welt im Vergleich zu unserer und den vielen unterschiedlichen Spezies absolut verständlich und in Ordnung ist. Dennoch erachte ich den Anfang von „Der lange Weg zu einem zornigen Planeten“ als ungelenk geschrieben.
Die Charaktere wurden zu sehr im Infodump eingeführt und ich wollte mir zunächst kaum die Mühe machen, mir die Namen und Spezies zu merken. Nach den besagten Seiten funktioniert das aber fast von allein, daher geht diese Schwäche nicht so sehr ins Gewicht. Bleibt einfach dran; auch die unkommentierten bzw. nicht erklärten technischen Geräte leuchten dem Leser irgendwann einfach ein.
Becky Chambers: Plotschwach, Beziehungsstark.
Eine weiter Schwäche ist der Plot. In „Der lange Weg zu einem zornigen Planeten“ ist der Plot relativ flach, es passiert eher wenig und die Stärken der Autorin liegen ganz klar im Weltenbau und im Charakterdesign. Es hat mich beim Lesen nicht gestört, aber erwartet bitte keinen unendlich spannenden Showdown am Ende, bei dem eine wahnsinnige Epiphanie die Persönlichkeiten und Leben der Charaktere verändert. Müsste ich den Plot mit Musik vergleichen, wäre „Der lange Weg zu einem zornigen Planeten“ eher angenehme Hintergrundmusik als eine mitreißende Symphonie mit herunterbrechendem Finale am Ende.
Darüber hinaus sind mir die Kapitel zu lang. Ich hätte es schön gefunden, wenn pro Kapitel nur eine Perspektive eingenommen wird; denn das hat ab und zu zu Stolperern geführt. Es war mir häufig nicht möglich, ein Kapitel vor dem Schlafengehen zu lesen, weil es zu lang war und ich mitten drin unterbrechen musste.
Die letzte Schwäche, die ich ansprechen möchte, betrifft das deutsche Korrektorat der Übersetzung. Man merkt, wenn man aufmerksam liest, dass die deutschen Mitarbeiter schnell fertig werden wollten. Da war wohl eine Frist recht fortgeschritten, sodass sämtliche das-dass-Fehler (vier an der Zahl) im letzten Sechstel (!) des Buches vorkommen. Was mit ausgezeichneter Orthografie und Grammatik beginnt, schwächelt am Ende immer mehr, und das empfinde ich als äußerst schade.
Mein Fazit zu der lange Weg zu einem kleinen, zornigen Planeten:
Kennst du das, wenn man einfach nur verliebt ist, ohne dass es dazu gute Gründe gibt? So geht es mir mit diesem Buch. Ich habe mehr Schwächen als Stärken aufgelistet, aber ich bin einfach in dieses Buch verliebt. Ich bin sehr glücklich, dieses Buch gelesen zu haben. „Der lange Weg zu einem zornigen Planeten“ hat mir sehr viel Spaß gemacht, obwohl ich bevorzugt eher Science Fiction ohne Raumschiffe lese. Zum entspannten Entwicklung einer Lesesucht ist dieser Roman definitiv hervorragend geeignet.
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Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten
Becky Chambers
erschienen bei Fischer TOR
27. Oktober 2016
Kia liest. Nicht nur Sachbücher zur persönlichen Entwicklung und Schreibratgeber, sondern auch Entwicklungsromane, nerdige Science Fiction und alles, was zwischen Utopie und Dystopie ein bisschen Drama angereichert hat. Beim Buchensemble gibt sie hin und wieder Einblicke in ihre Reiseberichte, die sie beim Durchqueren spannender Welten anfertigt.
One Reply to “Die sympathischste Crew des Universums – Der lange Weg zu einem kleinen, zornigen Planeten [Rezension]”
Danke für deine Rezension. Ich schleiche schon eine Weile im Buchladen um diesen Titel herum und überlege ihn mir zuzulegen.