Nichtstun kann auch anstrengend sein – Komm zu nix

Nichtstun kann auch anstrengend sein – Komm zu nix

„Komm zu nix“ ist ausdrücklich kein Roman. Erwartet habe ich das Gegenteil eines Zeitmanagement-Ratgebers, aber schon eher in ratgebender Form. Stattdessen liegt mir mit „Komm zu nix“ von Tommy Jaud eine typisch deutsche Satire vor – die mich auf mehreren Ebenen überrascht hat.

Die ersten drei Dinge, die ich nach dem Lesen getan habe:

  1. Versucht einzuschlafen
  2. Weiter versucht einzuschlafen
  3. Gegen 21:50 Uhr endlich eingeschlafen

Mein Eindruck zu „Komm zu nix“:

In „Komm zu nix“ geht es darum, wie der Autor nicht dieses Buch schreibt. Aber er schreibt es, denn man hört beim Lesen regelrecht die Stimme des Autos im eigenen Ohr. Ein nettes Paradoxon und ein schönes Konzept. Mein Eindruck ist, dass Tommy Jauds „Komm zu nix“ eine gelungene Satire ist. Das Spiel mit Überspitzungen und Übertreibungen gelingt, ohne dabei den typischen „deutschen Humor“ zu bedienen, den ich so wenig mag. Der Humor ist also nicht so unangenehm überspitzt und übertrieben, sodass die „Nicht lustig“-Grenze überschritten wird, wie etwa bei „Ich bin sehr hübsch, das sieht man nur nicht so“ von Sarah Bosetti.

Stärken des Buchs:

Man merkt dezent, dass die Frau von Tommy Jaud eine Superheldin ist. Sie hilft taktisch bei komischen WhatsApp-Chats und sitzt im gleichen Boot wie der Autor. Dadurch macht sie Gutes besser, Schlimmes schlimmer und Witziges witziger. Im Verlauf von „Komm zu nix“ ist sie es, die im Grunde eine Entwicklung durchmacht, wenn nicht charakterlich, dann zumindest bezogen auf den Erfolg. Zu Beginn des Buches schreibt sie einfach nur regelmäßig an eigenen Geschichten und Texten. Irgendwo in der Mitte des Buches stellt sie laut Tommy Jaud ein Werk nach dem anderen fertig, während der Autor zu nix kommt. Im letzten Drittel des Buches schreibt sie dann an einer Netflix-Serie.
Ich hätte gerne mehr von der Frau im Buch gehabt und will auch jetzt noch mehr von ihr lesen und erfahren. So, wie sie beschrieben wurde, hat das auf sehr gelungene Weise dazu beigetragen, dass die Nicht-Entwicklung des Protagonisten doppelt gut karikiert wurde.

Die größte Stärke des Buches ist, dass es wirklich witzig ist. Alles in dem Buch baut ein wenig aufeinander auf und schon ab Kapitel 1 werden Running Gags etabliert, die im weiteren Verlauf nach und nach erneut erwähnt werden.
Beispielsweise ziehen sich Verwechslungen durch die Satirensammlung, in denen verschiedene Menschen glauben, den Autor auf der Straße zu erkennen.

  • „Das ist doch der mit dem Känguru!“
  • „Ist das nicht der mit ‚Ich bin dann mal weg‘?“
  • „Vollidiot!“

Außerdem war es interessant, mal einen anderen Autorenalltag zu sehen als das Klischee, nachts in eine Wolldecke gewickelt mit einem Glas Gin eifrig an der Schreibmaschine sitzend. Kein Hungertuchnager, kein WG-Bewohner, kein Nebenberufler Arbeitszeiten von 11 bis 13 und 15 bis 18 Uhr, eine Assistentin, die die Nebenarbeit auf die Kette kriegt, ein eigenes Büro – als Autorin, die seit 2018 ebenfalls eine Assistenz hat, fühle ich mich jetzt nicht mehr so sehr wie ein Alien unter den Autoren und Autorinnen, die ich sonst so kenne.

Außerdem fand ich es beeindruckend, wie schnell das Buch publiziert wurde. Fertiggestellt im August 2022 und veröffentlicht im Oktober – ich glaube, ich sollte das mit den Satiren auch mal probieren.

Schwächen des Buchs:

Nicht alle Kapitel in „Komm zu nix“ zünden auf Anhieb.

Das Kapitel über Rotwein zum Beispiel kommt am Anfang viel zu ernst daher und wird zu spät durch den überspitzten und übertriebenen Humor aufgelockert. Dadurch wirkt es auf den ersten Seiten so, als würde Alkoholmissbrauch hier nicht nur verharmlost, sondern geradezu verherrlicht, und als wären Tommy Jaud und seine Frau stark alkoholabhängig. Das fand ich überhaupt nicht lustig, auch nicht mit der Auflockerung. Vielleicht, weil mir bewusst ist, dass es da draußen mit Sicherheit jede Menge unreflektierte Menschen gibt, die darin einen Freifahrtschein für regelmäßiges Saufen sehen. Drogenmissbrauch finde ich nicht witzig, sorry.

Keine direkte Schwäche des Buches, sondern womöglich eher des Marketings, waren meine Erwartungen: Ich hatte mit viel mehr bissigem Humor in Bezug auf die Hektik, Beschäftigungsverherrlichung, Überforderung und Ablenkungen erwartet, die unser aller Leben bis zu einem gewissen Grad bestimmen. Das Buch ist trotzdem brillant, aber eventuell hat das Marketing hier nicht exakt den richtigen Eindruck vermittelt.

Mein Fazit zu „Komm zu nix“:

„Komm zu nix“ von Tommy Jaud ist insgesamt meistens tatsächlich witzig.  Die Satiren lesen sich kurzweilig und das Buch hat nur wenige Schwächen. Vor allem beweist das Buch aber, dass „deutscher Humor in Büchern“ keine Schwäche sein muss, bei der die Schere zwischen Bühnenprogramm und Schriftstück auf- und kaputt gerissen wird. Es geht auch so.

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Komm zu nix

Tommy Jaud

Humor
Hardcover, 208 Seiten

erschienen bei FISCHER Scherz

26. Oktober 2022

ISBN 978-3-651001190


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